0210 - Drei Leichen im Garten
Kleidung fing ich an zu frieren.
Zuerst machte ich eine Standortbestimmung. Mitten auf einem Feld hielt ich mich auf. Im Norden sah ich das schmale Band der Straße. Die Fahrzeuge hatten noch immer ihre Scheinwerfer eingeschaltet, und es herrschte inzwischen mehr Betrieb.
In Richtung Hampstead sah ich einige Bäume aus dem Ackerboden wachsen, eine Scheune, dann machte die Straße einen Bogen und dort grenzte auch der Acker.
Alles normal…
Wo steckte der Typ mit den blutigen Händen? Es hatte ihn gegeben, an eine Halluzination glaubte ich nicht. Und er konnte sich auch nicht in Luft aufgelöst haben.
Vielleicht lief er mir unterwegs noch in die Quere, obwohl ich da auch nicht viel Hoffnung hatte.
Wieder blieb mir nichts anderes übrig, als den Weg über einen matschigen Acker hinweg in Richtung Straße zu laufen, denn ich hatte nicht vergessen, daß ich mich mit Suko in Hampstead treffen wollte.
Einen Baum nahm ich mir als Markierung. Wenn ich eine Linie von mir bis zur Straße dachte, stand er genau in der Mitte. Erst jetzt sah ich die schwarzen Vögel, die auf seinen Ästen und Zweigen hockten. Aber auch nur weil sie aufflatterten, als hätten sie irgend etwas gestört. Ein dunkler Schwarm stieg aus der Baumkrone und schwebte als Wolke darüber.
Was hatte sie gestört?
Ich blieb stehen und fixierte den Baum. War es allein meine Anwesenheit?
Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen, denn ich befand mich ziemlich weit entfernt. Nein, es mußte einen anderen Grund geben.
Vielleicht der Unbekannte mit den blutigen Händen?
Ich lief schneller. Plötzlich fror ich auch nicht mehr. Etwas mehr Helligkeit hätte ich mir schon gewünscht, denn das Zwielicht der Dämmerung machte es so gut wie unmöglich, alles genau zu erkennen.
Dann sah ich ihn.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Er hatte tatsächlich hinter dem Baumstamm gelauert.
Es war ein Mensch, das will ich einmal vorwegnehmen. Ein dürrer Mann, der nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien, und auf dessen Hals ein großer Kopf saß.
Groß wie die Hände, denn sie fielen mir auf. Ob sie blutig waren, konnte ich nicht sehen, aber der Mann hatte es eilig, von mir wegzukommen.
Er floh in Richtung Straße.
Wer war schneller?
Ich, denn das merkte ich bereits nach einigen Schritten, weil ich gut aufholte.
Der Dürre duckte sich während des Laufens, als würde er mit Peitschenschlägen traktiert.
»Bleiben Sie stehen!« schrie ich ihn an.
Er dachte nicht daran und jagte weiter. Dabei lief er wie ein Hase. Im Zickzack.
Ich machte einen Bogen, und es gelang mir, ihm den Weg abzuschneiden. Er gab für einen Moment nicht acht, so daß ich mich auf einmal mit ihm auf gleicher Höhe befand.
Erschreckt wandte erden Kopf.
Ein Skelett war es nicht. Viel allerdings fehlte nicht daran. Die Haut auf seinem großen Schädel wirkte wie durchsichtiges Papier. Sie spannte sich auf seine Knochen. Groß waren die Augen. Auf einmal bewegte sich die dünne Gesichtshaut. Über dem Kinn entstand ein Spalt, der wohl einen Mund darstellen sollte.
Ich zog die Beretta. »Keinen Schritt mehr«, sagte ich hart und ging weiter auf ihn zu. Jetzt sah ich auch die Hände. Ja, es waren die, die ich auch am Rand der Röhre entdeckt hatte. Gewaltige Klauen. Sie standen in keinem Verhältnis zu den Proportionen des dürren Körpers.
Und ich sah das Blut…
Drei Schritte von ihm entfernt verhielt ich meinen Schritt. Der Wind fegte kalt über das Feld. Ich fröstelte wieder, doch ich durfte mich nicht ablenken lassen. Der Mann vor mir war wichtiger. Eine Gestalt wie aus einem Horrorfilm. Die Kleidung schlotterte um seinen Körper. Sie war grau und bestand praktisch aus Fetzen, an denen der Dreck wie angeleimt klebte.
»Wer sind Sie?« fragte ich.
Eine Antwort bekam ich nicht. Dafür bewegte er seinen Kopf von einer Seite zur anderen. Er suchte nach einem Ausweg, doch das Mündungsloch meiner Beretta war Argument genug, so daß er sich nicht von der Stelle bewegte.
Ich hatte bisher nicht feststellen können, ob ich einen Untoten oder einen normalen Menschen vor mir sah. Ich tippte rein gefühlsmäßig auf einen Menschen.
»Wo wohnen Sie?«
Er schwieg weiter. Als einzige Reaktion zeigte er ein Ducken, wobei er den Kopf nach vorn drückte und seine Pranken öffnete und schloß. Dann zeigte er sein wahres Gesicht.
Plötzlich riß er den Mund noch weiter auf, und im nächsten Augenblick quoll eine dicke, gallertartige, grüngelbe Masse hervor, die an seinem Körper herabrann und
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