0212 - Satans siebter Finger
»Nicht…«, hörte Nicole sie verängstigt flüstern. »Nicht schießen… bitte!«
»Sie wollen uns lebend«, sagte Nicole dumpf. »Uns alle. Sie haben Sabine gelähmt. Und sobald wir anderen etwas tun, trifft uns das gleiche Schicksal.«
Zwei der Unheimlichen traten jetzt vor. Die Strahlwaffen ließen sie dabei nicht aus den Händen, senkten die Mündungen auch nicht. Wie Roboter, die seelenlos ihrem Programm gehorchen, blieben sie neben Sabine stehen, packten sie mit der freien Hand jeweils rechts und links und hoben den starren Körper auf die Mulde im Stein zurück. -Die Lähmung der Muskeln widerstand dem Druck der Cyborg-Hände nicht, als sie das Mädchen so zurecht legten, daß es wieder paßte.
»Was um Himmels willen haben sie mit uns vor?« flüsterte Martine erschüttert. »Wozu brauchen sie uns lebend?«
Nicole schwieg. Sie wußte die Antwort selbst nur zum Teil. Eine magische Beschwörung, eine Opferung, die sieben junge Frauen erforderten, die auf den Tag genau das gleiche Alter hatten… doch wozu? Welche dämonische Kraft sollte mit ihnen beschworen werden?
Und - wie lange hatten sie noch zu leben? Wann würde das Entsetzliche geschehen? Wann kam der Meegh, der Herr der Cyborgs, um sie alle sieben zu töten?
Plötzlich schaltete etwas in Nicole ab.
Es hatte doch alles keinen Sinn mehr. Niemand kam hier mehr lebend heraus, die Cyborgs ließen niemandem eine Chance. Selbst wenn sie alle zugleich losstürmten, wurden sie der Unheimlichen nicht Herr. Die ehemaligen Menschen waren schneller und stärker.
Nicole dachte an Zamorra, der bereits tot war. Er hatte es hinter sich. Und ohne ihn hatte das Leben sowieso keinen Sinn mehr.
Sie entspannte sich auf dem harten Stein, so gut es ging, und schloß die Augen.
Hoffentlich ging es schnell…
***
Eine Öffnung entstand in der schwarzen Wand. Zamorra atmete tief durch. Hinter der Lücke sah er im Dämmerlicht die Yacht.
Entschlossen trat er durch die Öffnung, die sich hinter ihm wieder schloß.
Er blieb stehen und sah, sich um. Merkwürdig, dachte er. So dicht, geschlossen und absolut schwarz dieser Energieschirm auch ist - er läßt Licht durch!
Im Innern der abgeschirmten Sphäre war es genauso hell oder dunkel wie außerhalb. Das Dämmerlicht der untergehenden Sonne reichte aus, die teilzerstörten Aufbauten des Schiffs zu erkennen.
Ein Geisterschiff. Verlassen und tot.
Langsam ging Zamorra darauf zu. Die MOONSHINE lag noch an der gleichen Stelle im Wasser, ein paar Meter vön der Uferkante der Grotte entfernt. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Gangway auszufahren. Für die Cyborgs war die Distanz in Wasserbreite und Bordwandhöhe selbst mit ihrer lebenden Last kein Problem gewesen.
Zamorra mußte ins Wasser und dann am Schiff hochklettern, anders ging es nicht. Sekundenlang fragte er sich, was er mit dem Schlüssel und dem Blaster machen sollte, dann entschied er sich, ersteren zwischen die Zähne zu nehmen und den zweiten an Deck zu werfen.
Dann ließ er sich ins Wasser gleiten, arbeitete sich an die Yacht heran und kletterte hinauf. Als er sich über die Reling schwang, ging ein eigenartiger Laut durch den Schiffsrumpf.
»Was war das?« fragte Zamorra sich und spie den Schlüssel in die hohle Hand. Er suchte nach dem Blaster und fand ihn etwa in der Mitte des Vorderdecks. Schnell nahm er ihn auf. Er war eigentlich kein Freund von Waffen, jetzt aber fühlte er sich sicherer.
Die Stille und Leere der Yacht machte ihm zu schaffen. Und da war dieser seltsame Ton gewesen…
Er war von irgendwo aus dem Schiffsinnern gekommen.
Zamorra entsann sich dessen, weshalb er gekommen war. Er benötigte sein Amulett. Mit raschen Schritten erreichte er den Niedergang und stieg in die Tiefe hinunter. Das elektrische Licht war erloschen, der schmale Gang, zwischen den Kabinen blieb dunkel. Aber Zamorra fand seine und Nicoles Unterkunft auch ohne zu sehen.
Durch das Bullauge drang nur noch wenig Licht in die Kajüte. Zamorra berührte den Lichtschalter. Die Neonlampe flammte flackernd auf und ergoß ihren kalten Schein in den Raum.
Da lag das Amulett!
Zamorras Hand, die danach griff, verharrte in der Bewegung. Wenn er schon einmal hier war, konnte er auch noch ein wenig mehr tun, entschied er und kleidete sich gründlich an. Wenn er jetzt an irgendeine Felsenkante schrammte, schürfte er sich nicht sofort die Haut auf. Außerdem hatte er jetzt Taschen zur Verfügung, in denen er sowohl den Schlüssel als auch die Waffe verstauen konnte.
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