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0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

Titel: 0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kugeln pfeifen Todeslieder
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Leute erschießen! Ich will nicht sterben! Ich will nicht sterben…!«
    Seine Stimme hallte gellend durch die Schlucht.
    ***
    Der Gangster Bertram Lanschitzky fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Um die Wahrheit zu sagen: Er fühlte sich sterbenseiend. Nicht etwa wegen der Hitze. Die kam zu dem anderen nur hinzu und machte alles noch schlimmer. Dabei hatte der Tag mit einer so verheißungsvollen Rechnung begonnen.
    Mit einer ganz einfachen Rechnung: Dreizehn mal zweihundert macht zweitausendsechshundert.
    Er war nicht abergläubisch. Er war es noch nie gewesen. Er hatte zwölf Autos gestohlen und für jeden Wagen zwanzig Dollar bar in die Hand gezählt bekommen. Weitere zweihundert Dollar wurden vom Zahlmeister seinem Konto gutgeschrieben. Sobald sich die Military Gang eines Tages auflösen würde, erhielt jeder sein Konto ausgezahlt und konnte machen, was er wollte. Feierliche Entlassung aus der Armee, grinste Lanschitzky. Natürlich hatte der Boß einen kleinen Vogel, aber die meisten hatten sich daran gewöhnt, und einige fanden es sogar gut. Lanschitzky gehörte zu diesen letzteren. Befehle empfangen, ausführen, gelobt werden — das war eine einfache Formel, mit der man ein glückliches Leben erzielen konnte. Man brauchte nicht nachzudenken, man brauchte nur zu gehorchen. Der Gedanke, daß kein Mensch der Erde durch einen Befehl von seiner moralischen Verantwortung entbunden werden kann, war Lanschitzky noch nie gekommen.
    Also mit der Rechnung dreizehn mal zweihundert hatte es an diesem Morgen angefangen. Denn an diesem Tag wollte Lanschitzky seinen dreizehnten Wagen stehlen. Er hatte nicht eine Sekunde gezweifelt, daß es klappen würde. Schließlich betrachtete er sich bereits als Fachmann.
    Wie üblich waren sie der Reihe nach' in verschiedenen Städten abgesetzt worden. Wie üblich hatten sie sich einige Zigaretten gekauft, eine angesteckt und einzeln ihre »Spaziergänge« angetreten.
    Und dann mußte ihm ausgerechnet das passieren! Ausgerechnet ihm! Und ausgerechnet das!
    Es war ein schwerer grün-weißer Buick. Neuestes Modell. Mit Sonderausstattung, wie Lanschitzkys fachkundiger Blick sofort bemerkte. Ein Wagen, wie Colonel Rennier ihn gerne sah. Wenn er noch zwei solche Schlitten brachte, konnte er damit rechnen, Corporal zu werden. Dann konnte er diesem widerlichen Mindarro morgens im Zelt befehlen, für ihn Kaffee zu holen.
    Lanschitzky beobachtete, wie der Wagen an den Straßenrand herankam. Um nicht aufzufallen, tat Lanschitzky, als interessierten ihn die Auslagen in einem Radiogeschäft. Hätte er doch lieber direkt auf den Wagen gestarrt! Es gab genug Leute, die sich einen solchen Traumwagen genau ansehen. Aber nein! Aus lauter Vorsicht hatte er dem Schlitten den Rücken zugekehrt.
    Er sah genau im spiegelnden Schaufenster, wie der Besitzer ausstieg. Ein Mann von etwa vierzig Jahren. Tadellos angezogen. Blütenweißes Hemd zu einem Anzug, der von einem unwahrscheinlich zarten Gelb war. Ein Anzug, der aussah, als ob er aus Seide wäre. Mußte drei- oder vierhundert Dollar gekostet haben. Diese Gedanken schossen Lanschitzky durch den Kopf, während er beobachtete, wie der Mann die Stufen zum Eingangsportal einer Bank hinaneilte, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag.
    Lanschitzky zählte ruhig bis zwanzig, nachdem der Mann die Bank betreten hatte. Und dann handelte er so schnell, wie er es dabei immer tat. Er ging zunächst in unauffälligem Tempo zum Heck des Wagens. Aus den Augenwinkeln immer die Bank beobachtend. Dann drei rasche Schritte vor zur Tür, ein letzter Blick auf das Portal der Bank, ein Zug, ’rein, Zündschlüssel gedreht und ab!
    Er war schon fast hundert Yard von der Bank weg, als er es hörte. Oder besser: sie hörte. Die zarte, erschrockene weibliehe Stimme vom Rücksitz her. Sie traf ihn wie mit einem Keulenschlag.
    Auf dem Rücksitz hockte ein Mädchen. Von der Hüfte an nach unten in eine bunte weiche Wolldecke gewickelt. Sie konnte nicht groß sein, die Kleine, höchstens einsvierzig. Vielleicht war sie zehn, vielleicht zwölf Jahre alt. Schwer zu bestimmen, wenn man nur ein blasses, erschrockenes, verängstigtes Kindergesicht im Rückspiegel sah.
    Er konnte es nicht begreifen. Ihm war völlig schleierhaft, wie er es hatte übersehen können, dieses Kind auf dem Rücksitz. Aber nun war es zu spät. In den ersten zehn Minuten höchstens hätte er anhalten, aussteigen und rasch Weggehen können. Aber in den ersten zehn Minuten hatte ihn eine Panik

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