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0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder

Titel: 0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kugeln pfeifen Todeslieder
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sie mit dem Schraubverschluß zu und ging wieder hinaus.
    Plötzlich fiel ihm ein, daß er das Mädchen hier zurücklassen könnte. Er eilte auf den Wagen zu. Es gefiel ihm, daß er das Mädchen loswerden konnte, ohne sie der mörderisch stechenden Sonne aussetzen zu müssen.
    Er zog die hintere Tür auf.
    »Steig aus, Kleine«, sagte er. »Du kannst hierbleiben.«
    Das Mädchen mit den großen rehbraunen Augen in dem blassen Gesicht sah ihn ernst an.
    »Ich kann nicht«, sagte es.
    Lanschitzky runzelte die Stirn. Er war in Gedanken schon wieder woanders gewesen.
    »Was kannst du nicht?«
    »Aussteigen«, sagte das Mädchen. Lanschitzky wurde ungeduldig.
    »Was soll das heißen?« fragte er scharf. »Was ist das für ein Quatsch? Ich habe gesagt, du steigst hier aus und bleibst hier! Ist dir doch bestimmt lieber, als mit — mit einem Gangster im Auto zu fahren, he?«
    »Ich kann nicht aussteigen«, wiederholte das Mädchen ruhig. Die großen Augen unentwegt auf Lanschitzky gerichtet. »Ich bin gelähmt. Kinderlähmung. Ich kann nicht aussteigen.«
    Lanschitzkys Lippen bewegten sich, ohne daß ein Laut über seine Lippen kam. Seine Kiefer mahlten. Ein paar Sekunden lang senkte er den Blick und starrte auf seine Schuhspitzen. Sie waren von einer Schicht rötlichgelben Sandes überzogen.
    Als er den Kopf wieder hob, war er blaß. Er schlug die Tür zu, setzte sich ans Steuer, warf die mit Kaffee gefüllte Flasche neben sich auf den Vordersitz und startete. Er sagte die ganze Zeit nichts mehr, bis das Mädchen auf einmal wieder anfing zu weinen.
    Verdammter Dreck, dachte Lanschitzky. Auch das noch. Kinderlähmung. Scheußliche Sache.
    Du hättest sie sowieso nicht in der Farm lassen dürfen, fiel ihm später ein. Sie liegt dem Versteck zu nahe. Wenn die Kleine in der Farm gefunden worden wäre, hätte sich die Polizei natürlich mit ihr beschäftigt. — Wohin ist er gefahren? Wie sah er aus? Was trug er für Kleider? Hatte er eine Tasche bei sich? Nein? Merkwürdig, er muß doch irgendwo essen und trinken. — Nein, es war schon besser, daß er nicht seinem ersten Impuls gefolgt war und die Kleine auf der Farm zurückgelassen hatte. Es wäre ein Fehler gewesen. Es gab keinen anderen Ausweg, als die Kleine mit ins Versteck zu nehmen und die ganze Geschichte dem Colonel zu melden. Colonel Rennier, dem Mann der Peitsche riskieren…
    Lanschitzky fror, wenn er an die Peitsche dachte. Vielleicht sollte er verschwinden. Sich überhaupt nicht mehr bei der Bande sehen lassen. Aber wovon sollte er leben? Er hatte ungefähr sechzig Dollar bei sich. Und sollte er vielleicht auf sein Konto verzichten? Nein, dann schon lieber zwei Hiebe mit der Peitsche riskieren ..
    Zehn Minuten später rollte er durch die versteckte Einfahrt in die Schlucht. Der Organisationsoffizier hatte ihn bereits erspäht und kam heran. Als er das Mädchen sah, weiteten sich seine Augen.
    »Du bist wohl wahnsinnig geworden?« schnauzte er.
    Lanschitzky zuckte die Achseln.
    »Tut mir leid«, knurrte er zerknirscht. »Tut mir verdammt leid. Ich hab’ sie zu spät gesehen.«
    »Ich muß es dem Colonel melden.«
    »Das weiß ich, Sir. Melden Sie aber bitte, daß es ein neuer Buick ist. Ich — ich kann doch nichts dafür…«
    Seine Stimme klang kläglich.
    »Wenn ich ein Taschentuch hätte, würde ich weinen«, sagte der Organisationsoffizier kalt, während er sich vorbeugte und in den Wagen hineinblickte.
    »Wieso ist sie mit der Decke eingewickelt? Bei der Hitze?«
    Lanschitzky schluckte. Seine Stimme war auf einmal heiser. Stockend erklärte er es. Als er fertig war, hörte er die Stimme des Mädchens. Sie klang ein wenig zitternd, ängstlich, hilflos, rührend hilflos.
    »Sie müssen mich schnell wieder zurückbringen. Daddy wollte mit mir ins Krankenhaus. Ich muß operiert werden. Daddy sagt, daß es eine ganz harmlose Operation ist. Aber sie muß sein. Mein Blinddarm muß heraus, hat Doc Meilings gesagt…«
    Lanschitzky spürte einen Druck auf seiner Brust, als wäre sie von einem eisernen Ring umgeben, der langsam zusammengezogen wurde. In seinem Kopf war nur noch ein dumpfes Brausen.
    ***
    »Ich fühle mich wie Lederstrumpf«, flüsterte Phil.
    »Dann bin ich der Letzte der Mohikaner«, erwiderte ich ebenso leise.
    Wir hatten eine Kletter-, Kriech- und Schleichtour hinter uns, die jedem erfahrenen Indianerhäuptling zur Ehre gereicht hätte. Jetzt verschnauften wir in einem Felsspalt, der gerade so breit war, daß zwei Flundern darin nebeneinander

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