0216a - Fahrgast im Höllen-Express
und wartete. Die auf der anderen Seite der Tür hatten es nicht besonders eilig. Erst nach meinem dritten Klingeln wurde die Tür aufgerissen.
***
Durch den Türspalt blickte ich in einen Vorraum, in dem es außer einer Garderobe mit einem Zwei-Meter-Spiegel nur noch einen runden Tisch und zwei Sessel gab. Auf dem Tisch lagen Spielkarten und ein paar Geldscheine. In einem Sessel hockte ein stämmiger Bursche, der die Hemdsärmel hochgerollt hatte und ganz ungeniert seine Schulterhalfter mit der 38er zeigte. Eine Zweitausgabe dieses Zeitgenossen stand mir in der offenen Tür gegenüber Er hatte ein viereckiges Gesicht und eine breit gequetschte Nase.
»Is’ was los?«, fragte er, ohne die Lippen zu bewegen.
»Ich möchte Donelli sprechen«, sagte ich artig.
»M i s t e r Donelli«, betonte er. »Aber der Boss will seine Ruhe haben. Heute nicht. Komm in den nächsten Tagen wieder.«
»Was ist los, Eddy?«, fragte eine unangenehme Stimme vom runden Tisch her.
»Ein Kerl will zum Boss.«
»Scheuch ihn weg. Du weißt, dass sie gerade den Letzten Zug nach Gun Hill abspulen und dass er Kirk Douglas besonders gern sieht.«
»Weiß ich. Aber der Knilch geht nicht.«
»Zieh ihm die Krawatte gerade, dann wird er froh sein, wenn er gehen darf.«
Ich hatte mir die Diskussion über mein bevorstehendes Schicksal in Ruhe angehört.
Eddy schien von der letzten Aufforderung begeistert zu sein, denn in seinem Gesicht erschien der Ausdruck reiner Freude.
»Letzte Warnung« orakelte Eddy dumpf. »Hau ab, Säugling!«
»Ich möchte Donelli sprechen«, wiederholte ich höflich.
Er hob die Faust und gab mir einen Stoß gegen die Brust. Nun, ich hatte das verbriefte Recht, mich gegen einen tätlichen Angriff in der erforderlichen Form zur Wehr zu setzen.
Auf einmal hatte Eddy eine Kehrtwendung gemacht und stand mit dem Gesicht nach drinnen.
»Lass uns weiterspielen«, sagte sein Kumpan.
»Ich kann nicht«, erwiderte Eddy.
»Warum nicht?«
»Er hat mir den Arm rumgedreht und hält mich fest.«
Eddy wollte sich herumwerfen. Dabei versuchte er, rückwärts gegen mein Schienbein zu treten. Da ich nach vorn besser sehen konnte als er nach hinten, wurde nichts aus seiner Absicht. Aber ich wurde von seiner Drehbewegung ins Zimmer gezogen, und das war keineswegs gegen meinen Willen.
»Eddy, kannst du einem Broadway-Jüngling denn keine Manieren beibringen?«, schimpfte der Bursche in dem Sessel.
Eddy versuchte es. Er ging mit wirbelnden Fäusten auf mich los. Ich deckte ab, schlug seine Linke beiseite und hämmerte ihm zwei Schläge auf die kurzen Rippen. Eddy bekam keine Luft und atmete kurz, lahm versuchte er, einen Haken zu landen.
Ich tänzelte aus der Schussrichtung. Eddy konnte den Schlag nicht mehr stoppen, und seine Faust krachte gegen die Türkante. Er schrie etwas, das sehr unfein war.
Der andere kam aus seinem Sessel hoch, was ich erwartet hatte. Er war weiß an der Nasenspitze und hatte deutlich sichtbare zuckende Schläfenadern.
»Fettsack«, knurrte er in Eddys Richtung. »Iss weniger und tu mehr! Wie oft habe ich dir dass schon gesagt?«
Da hatte er zweifellos recht. Während Eddy seine aufgeschlagenen Knöchel rieb, kam der andere vorsichtig heran. Ich trat einen Schritt weiter ins Zimmer, sodass ich ungefähr in der Mitte stand und nach beiden Seiten Bewegungsfreiheit hatte.
Er täuschte, aber ich rührte mich nicht. Jäh sprang er vor. Ich sprang schnell zur Seite und half mit der Hand seinem Sprung nach. Es polterte ein bisschen, als er zu Boden ging und ein Schränkchen von der Garderobe mitnahm.
»Was ist denn hier los?«, raunzte eine Männerstimme. »Ich habe doch sehr deutlich gesagt, dass ich meine Ruhe haben will!«
Boris Donelli stand in der Tür. Er trug hellgraue Hosen, ein samtenes Hausjackett von schreiendem Rot und einen knallgelben Schal.
»Hallo!«, sagte ich freundlich. »Ich bin Cotton vom FBI und wollte mich mit Ihnen unterhalten, Donelli. Dauert nur ein paar Minuten.«
Er war sicher zweihundert Pfund schwer, und seine wachsam blickenden Augen machten mir klar, dass er anderes Kaliber hatte als die beiden Figuren in seinem Vorzimmer. Er sah mich abschätzend an, gönnte seinen Gorillas ein nachsichtiges Kopf schütteln und meinte, zu ihnen gewandt: »Ihr seid so dumm, dass es wehtun müsste. Sie müssen einen Ausweis haben, G-man. Kann ich ihn sehen?«
Ich reichte ihm wortlos, was er zu sehen wünschte. Er verglich sogar das Lichtbild mit der Wirklichkeit, bevor er mir den
Weitere Kostenlose Bücher