0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer
auch Geschäfte machen. Nach einigem Hin und Her war man einig geworden.
Und nun saß Bastiano Teraldi auf dem dritten Pier am Hudson oben im Dachgeschoß eines Riesenspeichers und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Er hatte einen lederüberzogenen Totschläger in der Hosentasche, und er war fest dazu entschlossen, rücksichtslos von diesem gefährlichen Instrument Gebrauch zu machen, wenn man ihm ans Leder wollte.
Er würde herausfinden, was sie mit seinem Bruder gemacht hatten. Und wenn es das letzte sein sollte, was ei in seinem jungen Leben tun konnte. Einen Teraldi legte man jedenfalls nicht einfach um, ohne etwas befürchten zu müssen. Da waren noch andere Teraldis da, die sich um den Fall kümmern würden. Umsonst kamen die Teraldis nicht aus Sizilien!
Bastiano hockte, ohne es zu wissen, auf demselben Deckenstapel, auf dem vor vielen Monaten sein Bruder geschlafen hatte. Er blätterte in Zeitungen, die zum Teil schon sein Bruder durchgeblättert hatte. Er trat seine Zigaretten auf demselben Fußboden aus, auf dem die Stummel seines Bruders gelegen hatten.
Er wußte nicht, wie spät es war, denn seine Uhr hatte keine Leuchtziffern, und es war schon vor einiger Zeit dunkel geworden. Er wußte nur, daß er diesem Kerl nicht trauen konnte, der ihm immer das Essen brachte. Eine solche Visage konnte nur einem Burschen gehören, der nicht in Ordnung war. Bastiano hatte nie studiert, und er wußte nichts vom Zusammenhang zwischen Seele und äußerer Erscheinung, er verstand nichts von der Physiognomie im allgemeinen, aber er hatte ein instinktives, gesundes Verhältnis dazu. Wenn er das Gesicht eines Mannes eine Zeitlang angesehen hatte, wußte er, ob er mit diesem Kerl würde auskommen können oder nicht.
Und mit dem Kerl, der inm das Essen brachte, würde er nie auskommen können. Das war ein Bursche, der noch nie gearbeitet hatte. Man brauchte ja nur seine Hände anzusehen. Die hatten sich noch nie länger als mal eine Stunde schwer betätigen müssen. Ein geistiger Arbeiter aber konnte dieser stupide Kerl schon gar nicht sein. Und daß er aus vermögendem Hause stammte, war ebenso ausgeschlossen.
Verwöhnter Eltern Kinder, die es nicht nötig haben, irgendeinem Broterwerb nachzugehen, haben doch wenigstens eine gewisse Erziehung genossen. Und die hatte der Kerl überhaupt nicht. Von Italien wußte er gerade, daß es ein Land oder eine Landschaft sein mußte, die irgendwo außerhalb Amerikas lag. Wenn man ihm eine Weltkarte vorgelegt hätte, davon war Bastiano überzeugt, hätte der Kerl Italien vielleicht in der Nordpolgegend gesucht.
Bastiano hatte sich entschlossen, dem Verbleib seines Bruders nachzuspüren. Er würde es nun mit der ganzen dickfelligen Zähigkeit der Teraldis tun. Sie waren eine italienische Bauernfamilie, eine sizilianische. Wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, konnte man sie mit zehn kräftigen Ochsen nicht von ihrem Weg abbringen.
Natürlich wußte er, daß er vorsichtig sein mußte. Er wußte nicht, ob er es mit einer richtigen Gangsterbande zu tun bekommen würde oder nur mit diesem einen Kerl, der ihm das Essen brachte und ihm erzählte, daß es wohl ein paar Tage dauern würde, bis man ihm einen Paß verschaffen könnte. Aber ob nun eine Bande oder nur einer — Bastiano würde vorsichtig sein wie bei einer gereizten Schlange.
Er drückte seine Zigarette auf dem Boden aus und gähnte. Er war nicht eigentlich müde, aber die Luft auf dem Dachboden des Speichers war schlecht. Es hätte hier einmal richtig gelüftet werden müssen, aber Bastiano hatte das Fenster noch nicht gefunden, das sich öffnen ließ. Er mußte den Kerl am nächsten Morgen unbedingt danach fragen. Er wollte frische Luft um sich haben.
Gerade wollte er sich auf den Decken ausstrecken, als er Schritte von unten hörte. Mit einem Schlage war er hellwach. Er hatte für seine Verhältnisse verdammt viel Geld aufbringen müssen, um illegal nach den USA gebracht zu werden. Die erste Hälfte dieses Betrages hatte er Stinoccio zahlen und die zweite Hälfte bei seiner Ankunft in New York abliefern müssen. Die Burschen hatten also jetzt ihr Geld. Er war für sie damit nicht mehr interessant. Das bedeutete, daß er doppelt vorsichtig sein mußte.
Er stand auf und schob die rechte Hand in die Hosentasche, wo er den lederüberzogenen Totschläger umklammerte. Leicht würde er es ihnen jedenfalls nicht machen. Wenn sie ihn töten wollten, mußten sie sich verdammt anstrengen.
Die Schritte kamen die
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