0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer
auf zwei Kisten setzen konnten. Wir steckten uns Zigaretten an und dösten vor uns hin. Es war nicht das erste Mal, daß wir uns auf ein langes Warten einrichteten. Die Arbeit eines Kriminalbeamten besteht mindestens zu einem Drittel aus solchem Warten, bei dem man vor Langeweile manchmal graue Haare bekommen kann.
»Ich weiß nicht«, murmelte Phil, »ob es überhaupt Zweck hat, daß wir hier sitzen.«
»Das weiß ich auch nicht«, gab ich zu. »Aber weißt du- etwas Besseres? Wir haben die beiden Italienerviertel tagelang durchstromert, ohne ein Ergebnis erzielt zu haben. Alle nötigen Untersuchungen, die von Wissenschaftlern durchgeführt werden müssen, sind in die Wege geleitet. Was sollen wir sonst noch tun? Wenn man nur die leiseste Ahnung einer Spur hätte! Aber so? Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als darauf zu warten, daß die Gangster noch einmal in irgendeiner Hinsicht aktiv werden und dabei endlich eine Spur hinterlassen, die sich ausschlachten läßt. Wenn wir allerdings Pech haben, warten wir darauf ein paar Wochen lang.«
»Heitere Aussichten«, knurrte Phil. »Mir hängt der ganze Fall zum Halse heraus!«
»Mir auch«, gab ich zu. »Aber denk mal dran, daß bis jetzt mindestens vier Leute von dieser Bande ermordet wurden! Vier harmlose, unschuldige Menschen! Findest du nicht, daß man in Anbetracht dieser Mordserie noch ein bißchen Geduld aufbringen sollte?«
Phil senkte den Kopf.
»Du hast recht, Jerry«, gab er seinerseits zu. »Ich werde Geduld aufbringen und warten, und wenn ich darüber alt und grau werden sollte. Einmal schnappen wir auch diese'Bande. Das müßte ja mit dem Teufel zugehen!«
Wir rutschten ein bißchen bequemer zurecht, lehnten die Rücken gegen andere Kisten und warteten. Nach einiger Zeit murmelte Phil:
»Was hältst du davon, wenn wir abwechselnd jede halbe Stunde einen Rundgang über den Pier machen?«
»Guter Gedanke«, sagte ich. »Wer fängt an?«
»Da ich auf den Gedanken kam, will ich auch gleich damit anfangen«, sagte Phil und stand auf. »Bin gleich wieder da.«
»Okay.«
Ich sah in dem Zwielicht der hereinbrechenden Nacht, wie Phils Gestalt sich zwischen den Kistenstapeln entfernte und um die Ecke einer Blechhütte verschwand.
Sobald Phil verschwunden war, trat die Stille so dicht um mich herum, daß ich das Gefühl hatte, man müßte sie greifen können.
Phil kam nach einiger Zeit zurück. Er zuckte die Achseln.
»Nichts. Kein Mensch auf dem ganzen Pier. Außer uns beiden.«
»Es ist auch noch sehr früh«, erwiderte ich. »Wenn die Bande aus irgendeinem Grunde sich heute nacht wieder hier sehen lassen sollte, wird sie es bestimmt nicht vor Mitternacht tun.«
Phil nickte und setzte sich wieder. Wir sprachen wenig miteinander. Als ungefähr eine halbe Stunde vergangen war, trat ich meinen Rundgang an. Auch ich kam ergebnislos zurück. Aber gerade wollte ich mich wieder auf die Kiste setzen, als wir plötzlich Schüsse hörten.
Wir sprangen auf.
»Das muß ganz vorn am Anfang des Piers gewesen sein!« rief Phil.
»Ja!« erwiderte ich. »Komm!«
Wir spurteten los. Da wir uns unseren Platz ungefähr auf der Mitte des Piers gesucht hatten, brauchten wir nur ungefähr dreißig Schritt weit zu laufen, um den Anfang des Piers zu erreichen.
Schon von weitem hörten wir die sich hastig entfernenden Schritte eines rennenden Mannes. Er lief nach Norden, und da Phil zufällig auf dieser Seite des Piers lief, verstand es sich von selbst, daß er dem Flüchtenden nachjagen würde, während ich mich umzusehen hatte, ob jemand verletzt war und Hilfe brauchte.
Ich sah, wie Phil sofort in die nach Norden führende Straße einbog, zog meine Taschenlampe und fing an, die Gegend abzusuchen. Eine Küstenstraße führt hier über eine zweite hinweg, und unter ihren Pfeilern sah ich die abgeblendeten Scheinwerfer eines Wagens. Ich lief hin.
Die hintere Wagentür stand offen, ebenfalls die vordere. Nur ein paar Schritte vom Wagen entfernt lag eine Gestalt mitten auf der Fahrbahn. Ich lief darauf zu und leuchtete den Körner mit meiner Taschenlampe ab. Im Rücken waren zwei scheußliche Wunden. Ich kniete nieder und beugte den Kopf so tief, daß ich dem Mann ins Auge blicken konnte.
Es war sinnlos, irgend etwas an seiner Stellung zu verändern. Man hätte nur die Arbeit der Mordkommission erschwert, denn der Mann war tot. Ich stand auf, knipste die Lampe aus und trat ein paar Schritte von der Straße weg. In diesem Augenblick sah ich von fern ein
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