0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer
eiserne Wendeltreppe herauf. Die Falltür öffnete sich mit einem leichten Quietschen. Bastiano hörte, daß es zwei Männer waren. Gut, dachte er. Mit zweien kann man zur Not fertig werden. Wenn man Baggerführer war, hat man schon einiges in den Armen sitzen.
Die Schritte kamen auf seinen Verschlag zu. Dann wurde die Decke angehoben und die Gestalt eines Mannes schob sich herein. Gleich darauf flammte eine Taschenlampe auf und beleuchtete den Stapel Decken, auf dem niemand saß.
»Verdammt, der Kerl ist weg!« rief der Mann aufgeregt, der die Taschenlampe hielt.
Bastiano sprach ein wenig Englisch, er verstand mehr, als er selbst sprechen konnte.
»Wieso weg?« fragte er gelassen.
Die Taschenlampe strahlte in seine Richtung. Bastiano war geblendet und hob den linken Arm, um sich gegen das gleißende Licht zu schützen.
»Ach, ich war schon erschrocken«, sagte der unbekannte Mann, der die Lampe hielt. »Ich’dachte, du hättest viel leicht den Kopf verloren und es auf eigene Faust versuchen wollen. Das wäre nämlich ziemlich gefährlich. Wenn man dich ohne Papiere hier schnappt, wanderst du ein paar Wochen ins Gefängnis und anschließend wirst du wieder nach Italien abgeschoben.«
»Kann ich mir denken«, sagte Bastiano. »Wer sind Sie?«
»Ein Freund«, erwiderte der Mann. Damit machte er sich Bastiano gegenüber nur noch verdächtiger. Wenn man jemanden fragt, wer er sei, antwortet jeder ehrliche Mensch mit seinem Namen. Jedenfalls nach Bastianos Meinung. ›Ein Freund‹, was sollte dieses Getue. Ob jemand ein Freund ist oder nicht, das merkt man nicht dadurch, daß er es sagt.
»Was wollen Sie?« fragte der junge Italiener.
»Oh, ich habe eine gute Nachricht für dich. Dein Paß ist fertig.«
»Schon?«
»Ja, es ging schnell, nicht wahr? Und wir haben auch einen Job für dich gefunden. Gute Arbeit, was?«
Bastiano sagte nichts. Er glaubte dem Mann nicht.
»Es ist allerdings nur ein Job auf einer Farm«, fuhr der Mann fort. »In Minnesota. Aber du solltest diesen Job erst einmal annehmen. Du kannst dich dabei langsam an amerikanische Verhältnisse gewöhnen, unsere Sprache ein bißchen besser lernen und dir nach und nach ein paar Dollar auf die Seite bringen. Später kannst du dann immer versuchen, in deinen Beruf zurückzukommen. Einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte Bastiano. In seiner rechten Hand fühlte er das geriffelte Leder vom Griff des Totschlägers. Es war, als ob eine Welle von Selbstbewußtsein aus diesem gefährlichen Instrument in ihn überströmte.
»Unten steht ein Mann, der den Paß für dich hat. Er wird dich in seinem Wagen zum Bahnhof bringen, die Fahrkarte für dich kaufen und dir ein paar Dollar mit auf den Weg geben. Ich kann dich allerdings nicht selber runterbringen, weil ich hier oben noch zu tun habe. Aber ich beschreibe dir den Weg genau. Du wirst ihn dann schon finden.«
»Sicher«, sagte Bastiano. Und er dachte dabei: Da ist ein Pferdefuß. Der Mann redet zuviel. Was er zu sagen hatte, hätte er in ein paar Worten abtun können. Statt dessen redet er so viel, wie jemand schwatzt, der eine schlechte Ware anpreisen will. Aber bei mir kommt er damit nicht an. Das ist etwas, womit man Tonio reinlegen kann. Mich nicht.
»Ich frage mich«, fuhr der Mann fort, »ob du mir einen Gefallen tun kannst?«
»Sicher«, sagte Tonio wieder, denn er wollte ja nicht den Verdacht dieses Mannes erregen. »Welchen?«
»Der Mann, der unten auf dich wartet, hat von uns ein paar Waren zu kriegen. Sie stecken in einem Rucksack. Kannst du den mit runternehmen?«
In einem Rucksack können sie jedenfalls keinen Mann versteckt haben, der mich umlegen soll, dachte Bastiano.
»Okay«, sagte er. »Ich nehme den Rucksack mit.«
»Danke«, sagte der Mann. »Ich wußte, daß du gefällig sein würdest.«
Er fing an, Bastiano den Weg zu beschreiben. Bastiano hörte aufmerksam zu. Er nickte zum Schluß.
»Klar, ich hab's Verstanden. Wo ist der Rucksack?«
»Bring den Rucksack, Bill!« rief der Mann über seine Schulter nach hinten.
»Ja, Chef!« erwiderte die Stimme des Burschen, der Bastiano das Essen gebracht hatte.
Der junge Italiener machte sich auf den Weg. Bis hinaus auf die Galerie, hatte der Mann gesagt, wollte er Bastiano bringen. Bastiano war schlau genug, ihn vorangehen zu lassen, indem er tat, als wäre es eine Höflichkeitsgeste. Und noch etwas tat, vom Mißtrauen wachsam gemacht, der junge Italiener: Er nahm die beiden Traggurte des Rucksacks in die linke Hand. Wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher