Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0219 - Lupinas Sohn

0219 - Lupinas Sohn

Titel: 0219 - Lupinas Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
und blieb dort stehen, um in die Tiefe zu schauen.
    Wie ein großes schwarzes Viereck lag der unheimlich wirkende See unter ihr. Der Wind fiel nicht so stark in diesen alten Steinbruch hinein, deshalb war die Oberfläche auch fast ruhig und erinnerte an einen matt glänzenden Lack.
    Lupinas Blick glitt an den schmalen Uferrändern entlang, bis weit nach rechts, wo sich das Gelände zu einer mit Schotter belegten Straße hin öffnete. Und dort sah sie ihn. Orapul, ihren Sohn!
    Er hockte auf den Hinterpfoten, bewegte seinen Kopf, und da der Wind die Wolken vom Mond wegtrieb, so daß er fast hinter dem Schwarzwolf stand, wirkte dieser wie ein herrlicher Scherenschnitt.
    Noch stärker und kräftiger leuchteten Lupinas Augen. Sie schüttelte ihr Fell, das sich bewegte wie eine schwarzgraue Woge, und war im nächsten Augenblick nicht mehr zu halten. Über die Klippe sprang sie hinweg. Mit den Läufen schlug sie Lehm und Dreck hoch und rutschte über den nassen, glatten Hang nach unten, ihrem Ziel entgegen. Er wartete, und sie wollte ihn nicht enttäuschen. Ein Mensch hätte sich bestimmt mehrmals überschlagen, nicht so Lupina. Sie hielt sich prächtig, fand immer wieder Halt und hatte schließlich unangefochten den schmalen Uferstreifen dicht am Baggersee erreicht.
    Dort blieb sie stehen, drehte den Kopf hin und her, schüttelte dabei ihr langes Haar aus. Wassertropfen und einige Lehmklumpen flogen jetzt davon.
    Sie hatte nur Augen für ihn - für ihren Sohn! Und Orapul enttäuschte sie nicht.
    Auch er hatte Sehnsucht nach seiner Mutter. Er richtete seinen großen Körper auf, der gewaltige Kopf bewegte sich von einer Seite zur anderen, dann stieß er sich mit den Hinterpfoten ab und hetzte mit langen Sprüngen auf seine Mutter zu. Auch Lupina blieb nicht auf dem Fleck. Sie rannte ihrem Sohn entgegen und hielt sich dabei dicht am Ufer. Es schien so, als hätte der Mond ein Einsehen mit ihnen, fast voll strahlte er auf die Erde und tauchte auch die unmittelbare Umgebung des Baggersees, wo Mutter und Sohn sich treffen wollten, um gemeinsam vorzugehen in sein gelbes Licht.
    Es waren gewaltige Knurrlaute, die sie ausstießen. Lupina konnte sich mit ihrem Sohn nicht in einer menschlichen Sprache unterhalten, nur per Gedankenkraft, denn er war kein eigentlicher Werwolf, der sich tagsüber in einen Menschen verwandelte und erst bei Vollmond zur Bestie wurde. Er blieb immer Wolf.
    Und er sprang seine Mutter jetzt so kraftvoll und wuchtig an, daß Lupina es nicht auffangen konnte und auf den Rücken geschleudert wurden. Dann war Orapul über ihr.
    Eine gewaltige Zunge fuhr aus dem Maul und leckte über das menschliche Gesicht der unheimlichen Werwölfin, die sich diese Liebkosung gefallen ließ, denn darauf hatte sie schon Jahre gewartet.
    Minutenlang dauerte die Begrüßung. Beide gebärdeten sich wie toll. Als sie schließlich voneinander abließen, waren sie ein wenig erschöpft. Nebeneinander blieben sie hocken. Lupina saß rechts von ihrem Sohn, auf den sie sehr stolz sein konnte, denn er war ein prächtiges Tier.
    Pechschwarz war sein Fell und so dicht am Kopf wie das eines männlichen Löwen.
    Den Mund hatte er ein wenig geöffnet. Rötlich schimmerten sein Rachen und die Zunge, doch die Augen hatte die gleiche kalte Farbe wie die seiner Mutter.
    Gelblich grün leuchteten sie, ohne Gefühl, erbarmungslos, brutal. Ein Zeichen, daß diese beiden Bestien nicht gewillt waren, Gnade zu gewähren.
    Durch die Schwärze des Fells hob sich Lupinas helles Haar noch deutlicher ab, und auch im Sitzen war zu erkennen, daß der Schwarzwolf seine Mutter um eine halbe Kopfgröße überragte.
    Er war ungemein gewachsen, und er hatte Kraft bekommen, denn Fenris, der Götterwolf, war sein Vater gewesen. Von ihm hatte er das wilde, ungezügelte Temperament, von Lupina die Schläue und Raffinesse.
    Beides zusammen ergab eine hochbrisante Mischung, wie sie selten bei einem dämonischen Wesen vorhanden war. Mutter und Sohn genossen das Zusammensein. Minutenlang blieben sie nebeneinander hocken. Ihr Fell berührte sich, die beiden brauchten einfach den »Hautkontakt«. So war es auch bei den Menschen. Die Bestien reagierten ähnlich. Es war Lupina, die eine gedankliche Brücke zu ihrem Sohn Orapul herstellte.
    ›Wie geht es dir?‹
    ›Sehr gut.‹
    ›Und wo bist du so lange gewesen?‹
    ›Ich wollte nicht länger bei Fenris bleiben. Er hat eine Niederlage erlitten und tobte furchtbar. Die Götter konnten ihn kaum zähmen.‹
    ›Willst du

Weitere Kostenlose Bücher