022 - Schreie aus dem Sarg
es.
Die Hand des Schwarzen schoss blitzschnell in die Höhe. Larry registrierte
die Bewegung und handelte. Doch eine Zehntelsekunde zu spät. Der Schwarze schob
sich etwas zwischen die Zähne. Da riss Larry ihm auch schon den Arm auf den
Rücken, drückte den Widerspenstigen vor und klopfte ihm auf den Rücken, um zu
verhindern, dass er das, was er in den Mund gesteckt hatte, auch schluckte.
Doch seine Bemühungen waren vergebens.
»Zu spät, Monsieur«, kam es wie ein Hauch über die Lippen des Schwarzen.
»Jetzt können Sie mich allerdings fragen.« Seine Stimme klang ein wenig
schwach, enttäuscht, niedergeschlagen. »Aber wir werden wohl kaum mehr genügend
Zeit zur Verfügung haben, um sie zu beantworten.« Er wollte grinsen, aber seine
Lippen verzogen sich zu einer Fratze. Seine Gesichtszüge spiegelten plötzlich
einen ungeheuren Schmerz wieder. Der Schwarze krümmte sich. Er presste beide
Hände vor den Bauch.
»Nur eines möchte – ich – noch sagen«, kam es unterdrückt über seine zitternden
Lippen. »Es wird – sich alles so erfüllen – wie es vorgesehen ist. – Die Gnamous stecken nicht zurück, Monsieur!
Nanette Luison wird wiederkommen – als Leichnam – als lebender – Leichnam ...«
Das waren seine letzten Worte. Er fiel vornüber. Larry Brent konnte nur noch
den Tod feststellen. Er drückte dem Schwarzen die gebrochenen Augen zu.
»Jetzt sind wir wieder da, wo wir angefangen haben«, hörte er die dumpfe
Stimme Luisons hinter sich.
»Nicht ganz.« Larry Brents Miene war hart wie Stahl. Er bettete den
Selbstmörder richtig in den Sarg, faltete ihm die Hände über der Brust und
verließ dann mit Luison das düstere Zimmer, in dem während der letzten Stunde
so vieles geschehen war.
»Wir müssen lediglich an anderer Stelle die Befragung fortsetzen«, fügte er
hinzu, während sie das große Wohnzimmer betraten, in dem Luison seinem
amerikanischen Gast einen Drink anbot. »Am geeignetsten erscheint mir dabei
Ihre Dienerschaft zu sein. Ihr muss heute Abend oder heute Nacht, als diese
Dinge hier vorbereitet wurden, etwas aufgefallen sein. Man hat sie
eingeschüchtert und davongejagt.«
Luison lachte bitter. »Es ist in Anbetracht der besonderen Merkmale dieses
Falles wohl kaum anzunehmen, dass Sie auch nur das geringste aus einem der
Mädchen oder der jungen Männer, die in diesem Haus hier stets aufmerksam ihren
Dienst versahen und sich auch niemals über schlechte Behandlung beklagen
konnten, herausbringen werden.«
»Es ist anzunehmen, dass Sie einige sehr gute Diener hatten, Monsieur,
nicht wahr? Nennen Sie mir nur einen, der Ihnen treu ergeben war, auf den Sie
sich hundertprozentig verlassen konnten.«
»Einer der Besten ist – war – Bangoura. Dass auch er weg ist – hat mich
mehr als überrascht. Man muss ungewöhnliche Drohungen ausgesprochen haben.
Bangoura hat hier sehr gut verdient. Er durfte manches für seine vielköpfige
Familie mit nach Hause nehmen. Er hat sieben Kinder und zwei Frauen. Die wollen
ernährt sein ...«
Larry ließ sich die Adresse Bangouras geben.
»Ich werde sofort in der Frühe hingehen, Monsieur Luison. Geben Sie jetzt
bitte der Polizei Bescheid, damit sie den Toten abholen lässt!«
Luison erledigte den Telefonanruf sofort. Dann stand er mit dem Amerikaner
an dem großen Fenster, das fast die ganze Wandseite einnahm.
»Sie brauchen mit Ihrer Mission nicht mehr allzu lange zu warten, Monsieur
Brent«, kam es über die schmalen Lippen des Franzosen. »Es wird bereits Morgen
...«
Im Osten ging die Sonne auf. Der Himmel färbte sich blutrot.
●
Bangoura Mabinto wohnte genau am anderen Ende von Conakry, an der
Ortsausfahrt zu Friguiagbo, in flachen, graubraunen Mietskasernen, die im
Rahmen eines Sonderbauprogramms für einen bestimmten Einwohnerkreis errichtet
worden waren.
Larry Brent fuhr mit dem weißen Citroen vor, der ihm von einem
Regierungsbeamten zur Verfügung gestellt worden war.
Zahllose Kinder sprangen nackt und halbnackt auf der staubigen, von Palmen
gesäumten Straße herum. Es wurde rasch heiß, und die typische Treibhausluft,
die manchem Europäer zu schaffen machte, entstand.
Larry fühlte, dass er schon wieder zu schwitzen anfing. Der Himmel war
strahlendblau. Einer der typischen Tropentage, an denen die Sonne unbarmherzig
vom Himmel brannte.
Schreiende Kinder umringten den weißen Citroen, und Larry Brent bahnte sich
lachend einen Weg durch die braunen Körper. Er verteilte ein paar bunte
Glaskugeln, die er
Weitere Kostenlose Bücher