022 - Schreie aus dem Sarg
doch
kein Franzose?!«
Brent zeigte seinen Ausweis. »Ich bin Amerikaner, Spezialist. Wir wissen,
dass sich ein Verbrechen anbahnt, das viele Menschen sehr unglücklich machen
kann.«
Bangoura nickte. »Genau das ist es, Monsieur! Wenn Sie so sprechen, wenn
Sie so denken, dann sollten Sie sich auch überlegen, was für mich auf dem Spiel
steht. Auch ich habe eine Familie, und ich möchte nicht, dass sie ausgerottet wird.«
»Gerade deshalb sollten Sie uns helfen, Bangoura«, blieb Larry Brent fest
auf seinem Standpunkt. »Sie waren in der letzten Nacht im Haus von Luison. Wer
kam und vertrieb Sie?«
Bangoura druckste herum. Er zuckte die Achseln, er wanderte in dem
sonnenüberfluteten Hof auf und ab, hob einen dürren Ast auf und stocherte damit
auf dem Boden herum.
Larry ging wieder auf ihn zu. »Ich könnte ein Tourist sein, Bangoura.
Zeigen Sie mir Ihre Schnitzarbeiten! Dabei ließe sich doch ein zwangloses
Gespräch führen, nicht wahr?«
Der Schwarze verstand sofort. Er ließ sich von seiner ersten Frau einige
der besten Stücke hinaus in den Garten bringen, die er stolz auf den
verwitterten Tisch stellte. X-RAY-3 drehte einen ausgezeichneten Elefanten in
der Hand, während er leise auf Bangoura einsprach.
»Das Stück gefällt mir – ich wäre bereit, es zu nehmen. Vielleicht kaufe
ich auch die Statue der Bauersfrau, Bangoura.« Er nahm die aus schwarzem
Ebenholz geschnitzte Figur, die fast sechzig Zentimeter groß war. Die typischen
Merkmale der stämmigen Frau waren scharf herausgearbeitet: breite, runde
Hüften, ein spitzer Busen, breite, wulstige Lippen.
»Waren es Angehörige der Gruppe Gnamous ,
Bangoura?«, fragte Larry leise, ohne seinen Blick von dem Elefanten und der
Frauenfigur zu nehmen.
»Ja, Monsieur.«
Bangouras Lippen zitterten, als er diese beiden Worte sprach.
»Was wollten sie?«
»Sie forderten uns auf, das Haus zu verlassen, nachdem wir ihnen das Zimmer
der jungen Mademoiselle gezeigt hatten. Ich glaube, sie schleppten einen Sarg
ins Haus.« Die Stimme des Schwarzen war kaum zu verstehen. »Aber bitte, lassen
Sie das jetzt! Wir wurden bedroht, wir dürfen nicht reden, nicht über die Gnamous . Alle haben Angst ...«
»Monsieur Luison war Ihnen doch ein guter Herr, nicht wahr, Bangoura?«
Der Gefragte nickte. »Ja, ja. Ein sehr guter.« Seine Augen strahlten. »Er
hat mir manches Geschenk gemacht. Auch viele Kleider für die Frauen hat er mir
gegeben, manches zusätzliche Brot für die Kleinen. Monsieur Luison war immer
gut.«
»Und nun lassen Sie ihn im Stich. Er versucht, etwas über das Schicksal
seiner Tochter zu erfahren, und ...«
Bangouras Nervosität kam wieder zum Vorschein, als er Larry Brent
unterbrach. »Ich lasse ihn nicht im Stich. Aber ich muss auch an mich denken.
Wir haben alle nur ein Leben. Es ist nicht gut, die Gnamous-Priester und
Medizinmänner zu Feinden zu haben. Tod kommt über die Unglücklichen.«
» Bangoura «, sagte Larry Brent mit
ausdrücklicher Betonung, und sein Blick begegnete dem des Guinesen. »Sie
glauben doch nicht mehr an Geister und Dämonen? Wir leben im 20. Jahrhundert!«
»Auch im 20. Jahrhundert gibt es Dinge, die noch niemand ganz ergründet
hat, Monsieur Brent. Im Busch gibt es noch immer zahlreiche Geheimnisse. Das alles
hat nichts mit Geister- und Dämonenglauben zu tun. Die Medizinmänner aus dem
Stamm der Malinke schickten schon immer die Toten zurück, und damit das
Grauen.« Er sah sich unauffällig um. »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben
darf, Monsieur Brent: Lassen Sie die Finger davon! Seien Sie vorsichtig! Es
muss doch schrecklich sein, weder tot noch lebendig zu sein! Hüten Sie sich vor
dem gleichen Schicksal, das der unglücklichen Nanette Luison niemand mehr
abnehmen kann.«
Die Worte klangen noch in ihm nach, als er zum Citroen zurückging und den
Wagen startete.
Larry Brent hatte noch ein paar belanglose Worte mit Bangoura gewechselt
und ihm die Hoffnung gemacht, dass er wohl bald wieder in den Diensten seines
Herrn stehen würde.
Bangoura war davon gar nicht so sehr überzeugt gewesen. Der treue Schwarze,
der seinem Herrn bisher vorbehaltlos gedient hatte, war scheu und
eingeschüchtert. Die Angst saß ihm im Nacken. Es war jetzt heiß und feucht. Die
Luft lag wie ein schwerer Mantel auf den Passanten. X-RAY-3 kurbelte sämtliche
Fenster herunter. Aber selbst der Fahrtwind blies heiß in den Wagen.
Larry warf einen Blick in den Rückspiegel. Am Straßenrand hinter den
flachen einfachen Sozialbauten
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