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bestimmt."
„Nein, sie ist schuldlos."
„Bitte, Robert", wandte Eleanor sich an ihn, „es wird nicht lange dauern."
Sobald die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, verriegelte Eleanor sie hastig. Dann wandte sie sich wieder Bonne-Ame zu, ließ sich zu seinen Füßen auf den Knien nieder und begann mit ihrer Beichte.
Er merkte, wie tief ihre Seelenangst war, und suchte nach Worten, um sie zu trösten. „Nein, Kind", erwiderte er sanft, „du hast in nichts gesündigt. In Gottes Augen ist es nicht falsch, dem Gewissen, das Er dir gegeben hat, zu folgen. Ich kenne deinen Gemahl, und er ist ein guter christlicher Herr, Eleanor. Der Papst hat deine Gattenwahl bestätigt und deine
Ehe für gültig erklärt. Und was den Beischlaf mit Robert betrifft, so gibt es keinen Zweifel, dass du dazu gezwungen wurdest, und daher hast nicht du gesündigt, sondern Graf Robert hat gefehlt. Ich kann nicht sehen, wie du dir und deinem ungeborenen Kind zuliebe hättest überleben sollen, hättest du dich gegen ihn aufgelehnt. Du bist doch nicht willig zu ihm gegangen, nicht wahr? Du hast doch nicht dein Vergnügen gesucht, wenn du ihm beigelegen hast?"
„Ich hasse es!" flüsterte Eleanor erregt. „Aber ich versuche nicht mehr, Belesme Einhalt zu gebieten."
„Gott weiß das, Kind, und dein Gemahl weiß das ebenfalls. Die Heilige Mutter Kirche müsste ihm sagen, er solle dich zurücknehmen, doch ich weiß, dass es nicht nötig sein wird. Er würde dich ohnehin so haben wollen, wie du bist."
„Ich hasse die Schönheit, die Gott mir gegeben hat, Eminenz! Ich wünschte, ich wäre hässlich, und dass Robert de Belesme mich so gesehen hätte!"
„Nein, wir alle müssen zu akzeptieren lernen, welche Last Er uns gegeben hat, und das Beste daraus machen. Daher bitte ich dich, auf die Knie zu fallen und um Vergebung zu bitten. Und was die anderen Dinge angeht, derentwegen du dich ängstigst, so gibt es nichts zu verzeihen." William Bonne-Ame machte das Kreuzeszeichen über Eleanors Kopf. „Ich erteile dir die Absolution, Kind. Geh und sündige nicht mehr."
„Aber ich habe meinem Gatten Schande gemacht!" rief Eleanor aus.
„Nein, das hat Graf Robert getan." William reichte ihr die Hand mit dem Ring zum Kuss. „Komm, steh auf und erzähle mir, wie du hier behandelt wirst, damit ich das deinem Vater berichten kann. Auch Prinz Henry möchte wissen, wie es dir ergeht."
Er half ihr auf die Füße und legte ihr mit väterlicher Geste den Arm um die Schultern. „Verzweifele nicht, meine Tochter. Die Armeen sammeln sich bereits."
22. KAPITEL
Ende April 1093 landete Roger mit einer Streitmacht von vierhundert Männern, die er unter Harlowes Vasallen ausgehoben und in Walter de Clares Schiffen über den Ärmelkanal gebracht hatte, in dem in der Normandie gelegenen Ort St. Valery. Dort wurde er von Prinz Henry empfangen, der weitere hundert Männer, die unter Rogers Vasallen in den Condes ausgehoben worden waren, bei sich hatte. Auch Courteheuse, dessen Entschlossenheit Henry so weit hatte stärken können, dass er sich Belesme entgegenstellen wollte, war mit Truppen eingetroffen. Die Armee zog vom Hafen nach Breteuil, wo sich ihr Männer anschlossen, die Gilbert de Nantes und William Bonne-Ame um sich geschart hatten. In Anbetracht des unsicheren Frühlingswetters und der manchmal gleichgültigen Reaktion auf den Ruf zu den Waffen war es Roger gelungen, ungewöhnlich schnell einzutreffen.
In Breteuil stellte Roger, während er auf Gilbert wartete, fest, dass die Geduld des Heiligen Vaters mit Belesme zu Ende war. Robert sollte exkommuniziert und seine Vasallen sollten von dem Lehnseid entbunden werden, ihn unterstützen zu müssen.
Zu Beginn des Monats Mai war Roger mit seiner Geduld fast am Ende, und er beschloss, ohne Gilbert nach Belesme weiterzuziehen, eine Entscheidung, die von seinen Vasallen und Verbündeten gestützt wurde. Sie hatten viel Zeit damit verbracht, darüber zu streiten, an welcher Stelle der feige Graf von Nantes in der Schlacht eingesetzt werden sollte. Niemand wollte ihn in seiner Nähe haben, falls er aufgeben und flüchten sollte.
Derweil die Armee sich darauf vorbereitete, ohne weiteren Aufschub nach Belesme zu ziehen, ritt der Erzbischof in voller Rüstung und einem Waffenrock, auf dem das Kreuz angebracht war, die Länge des Zuges entlang, segnete die Truppen und ermahnte sie, Eleanor de Nantes Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Als er die Spitze des Zuges erreicht hatte, saß Roger ab, nahm den
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