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022

Titel: 022 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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holen lassen wird? Nein, das nehme ich nicht an."
    Eleanor seufzte. „Ja. Vielleicht sollte ich beten."
    „Weck nicht Herleva auf", riet Roger ihr flüsternd, während er die Hand nach ihrer ausstreckte. Er führte sie mehr oder weniger im Halbdunkel die enge, steile Treppe hinunter. Einmal verlor sie den Halt und taumelte nach vorn. Von dieser Stelle bis zum Ende der Treppe trug Roger sie. Der Gang unten war verlassen und stockfinster, weil keine neuen Fackeln in die schweren eisernen Halterungen während der Nacht gesteckt worden waren.
    „Lea ..." Roger zog sie an sich und schlang die Arme um sie. „Es ist nicht deine Schuld", flüsterte er, „dass Mary nicht akzeptieren konnte, was Gott ihr gegeben hat. In Gilberts Augen oder in denen der anderen Burgbewohner hast du keine Schuld."
    Es sah Roger so ähnlich, ihre Gedanken zu erahnen und sie laut auszusprechen. Mit einem herzzerreißenden Schrei barg Eleanor das Gesicht an seiner Brust und begann zu schluchzen. Er hielt sie eine lange Zeit still umfangen und gestattete ihr, ihrem Schmerz und ihrem Kummer Ausdruck zu geben. Dann wiegte er sie hin und her und flüsterte immer wieder: „Weine, bis du nicht mehr weinen kannst, Kleines."
    Langsam verwandelten sich die peinigenden Schluchzer in einen Schluckauf und dann in leises Schniefen. „Roger", brachte Eleanor schließlich heraus, „was soll ich jetzt ohne dich tun?"
    Er trat ein wenig von ihr zurück, konnte ihr Gesicht in der Dunkelheit jedoch nicht erkennen. Er suchte nach Worten, um das zu erklären, was ihr widerfahren würde, um den Schlag zu mindern, den Gräfin Marys letzter Racheakt ihrer unerwünschten Tochter versetzen würde. Er holte tief Luft, atmete langsam aus und war nicht sicher, wie er ihr das sagen solle, andererseits nicht gewillt, dass sie es von Gilbert hörte.
    „Lea ..." Es hatte keinen Sinn. Sie würde die Neuigkeit erbärmlich aufnehmen, ganz gleich, was er sagte. Schließlich griff er wieder nach ihrer Hand und begann, auf die leere Kapelle zuzugehen. „Komm mit mir beten, Lea."
    Wenngleich weder Gilbert noch Mary sonderlich fromm waren, hatten sie viel Aufhebens um ihre Verbundenheit mit der Heiligen Mutter Kirche gemacht, und kein Ort reflektierte diese äußerliche Zurschaustellung mehr als die Kapelle von Burg Nantes. Ganz so, als habe Gilbert Gott versuchen wollen, ihm einen legitimen Sohn zu geben, hatte er keine Kosten gescheut. Tücher aus goldenem und blutrotem Samt hingen an den Wänden und bedeckten den Altar. Kränze aus Frühlingsblumen dekorierten die Rückseiten der geschnitzten und in die Wand eingelassenen Chorstühle. Und hinter dem Altar wurde die vergoldete Christusstatue, die von den Statuen der Heiligen Jungfrau Maria und der heiligen Katharina flankiert wurde, von reinen Wachskerzen illuminiert. Und im Sockel der Christusstatue enthielt ein eigens angebrachtes Gefach die Reliquie eines Heiligen.
    Das Licht der Morgendämmerung drang weich durch die Fenster und erzeugte ein Muster auf dem Steinfußboden. Eleanor kniete sich auf den kalten Fußboden und begann, für das Seelenheil der Mutter zu beten. Roger kniete sich neben sie und versuchte, die Gedanken für die vor ihm liegende Aufgabe zu sammeln. Eleanor drehte sich halb um und staunte über die Wirkung des Lichtkranzes, der seinen Kopf umgab. Bestimmt sah ein Mann so aus, wenn er auf den Ritterschlag vorbereitet wurde. Er schaute auf, bemerkte ihre ehrfürchtige Miene und wandte den Blick ab.
    „Roger, irgendetwas beunruhigt dich, mehr als nur Maman oder deine Abreise aus Nantes." Eleanor ergriff seine Hand und hielt sie sich an die Wange. „Betrifft es Glynis?"
    „Meine Mutter verlässt Nantes. Wir eskortieren sie bis Abbeville, wo sie sich den Nonnen anschließen wird."
    „Mein Vater schickt sie fort, um sein schlechtes Gewissen Mutters wegen zu beruhigen", murmelte Eleanor verbittert.
    „Nein, sie hat sich zur Abreise entschieden."
    „Roger, niemand geht in einen Konvent, wenn er das nicht tun muss."
    Er holte wieder tief Luft und schüttelte den Kopf. „Lea, ich möchte dir das Folgende nur sagen, weil ich weiß, dass Gilbert es tun wird, und mir ist es lieber, dass du es von jemandem hörst, der dich zumindest gern hat."
    „Hören? Was, Roger?"
    „Nun, weil Gilbert daran denkt, was die Leute reden, wünscht er den Eindruck zu erwecken, deine Mutter zu verehren. Was sie zu Lebzeiten nicht von ihm bekommen konnte, wird sie im Tod von ihm bekommen."
    „Ich verstehe nicht."
    „Sie läßt

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