0221 - Der Todessee
Bewegung, Wellen packten mich, und dann spürte ich die Krallen.
Das Untier hatte ungeheuer schnell aufgeholt und sich vorgeworfen. Zum Glück trug ich meine Kleidung, und ich spürte diese harten Krallen in meinem Rücken nur wie winzige Messer.
Verzweifelt strampelte ich mit den Beinen, wollte freikommen, denn wenn diese Bestie einmal richtig zugepackt hatte, war ich rettungslos verloren.
In den nächsten beiden Sekunden hatte ich ein unwahrscheinliches Glück, denn der Sprung meines mörderischen Gegners war ein wenig zu kurz gewesen. Er hatte mich nicht richtig zu fassen bekommen, und seine Krallen rutschten ab.
Bevor er ein zweitesmal nachfassen konnte, gab ich mir selbst Schwung, warf mich nach vorn und kraulte verzweifelt auf das Boot zu, in dem Suko saß.
Mit dem Kopf zuerst durchstieß ich die Wasseroberfläche, sah meinen Partner wie durch einen Schleier und erkannte auch, daß er eines der beiden Ruder in den Händen hielt.
»John!« schrie er. »Komm…«
Das war leichter gesagt als getan. In meiner unmittelbaren Umgebung war das Wasser aufgewühlt. Kochend kam es mir vor, zudem klatschten Wellen gegen und überspülten mich, denn mein Gegner hatte noch längst nicht aufgegeben. Unter Wasser hatte er sich gedreht und startete einen erneuten Angriff.
Wenige Yards wurden für mich zu einer meilenweiten Entfernung.
Ich kam gegen die Schnelligkeit des Ungeheuers nicht an, und ich sah, wie etwas Großes, Langes aus dem Wasser schoß, für einen Moment aufrecht stehenblieb und mit elementarer Wucht nach unten donnerte.
Der Schwanz! An mehr konnte ich nicht denken. Ich tauchte wieder unter, versuchte, dem Hieb zu entgehen, das war nicht mehr möglich. Mein Gegner war zu wendig. Zwar wurde der Schlag durch das Wasser noch ein wenig gebremst, trotzdem bekam ich einen Hieb, daß mir Hören und Sehen verging.
In der Sprache der Seeleute nennt man so etwas wohl eine volle Breitseite, die mußte ich schlucken.
Es riß mich in die Höhe, ich sah Sterne, dazwischen die Gischt, überschlug mich und wurde von den aufgewühlten Wellen gefressen.
Wie ein Stein sackte ich in die schwarze Tiefe. Der Treffer hatte mich so fertig gemacht, daß ich im ersten Augenblick nicht einmal in der Lage war, Schwimmbewegungen zu machen. Ich war wirklich über dem ganzen Körper getroffen worden und würde sicherlich einige Prellungen davontragen, falls ich überlebte.
Das allerdings stand in den Sternen. Dieses urwelthafte Ungeheuer würde keine Gnade kennen.
Ich sackte noch immer tiefer. Doch eine Stimme in meinem Innern meldete sich und mir wurde klargemacht, daß ich unbedingt etwas unternehmen mußte, wenn ich in diesem unheimlichen See nicht elendig ertrinken wollte.
Schwach waren meine Schwimmbewegungen. Sie erinnerten mehr an die Paddelei eines kleinen Hundes, aber sie halfen ein wenig.
Ich trat Wasser mit den Beinen, bewegte auch die Arme und war froh darüber, daß es klappte. Allmählich glitt ich wieder an die Oberfläche, wo das Wasser heller war.
Und das Ungeheuer?
Im Augenblick sah ich es nicht, auch nicht seinen Schatten, doch als ich auftauchen wollte, stieß ich mit dem Kopf gegen etwas Dunkles, daß auf dem Wasser schwamm.
Was es war, bekam ich erst später zu sehen. Ich wollte so schnell wie möglich Luft holen, tauchte auf, schleuderte mir das nasse Haar aus der Stirn, bekam dann auch noch eine Planke vor die Stirn und schaffte es endlich, mich umzuschauen.
Meine Augen weiteten sich in panischem Schrecken. Das durfte nicht wahr sein, aber es war Realität, kein Geist gaukelte mir ein Trugbild vor.
Das Untier hatte unser Boot zerschlagen. Und von Suko war keine Spur zu sehen!
***
Nur noch Reste schaukelten auf den Wellen. Ich erkannte die beiden Ruder, einen Teil des Kiels, der an den Enden hellere Zersplitterungen zeigte, die beiden Ruderbänke und auch noch den Bug, das größte zusammenhängende Stück des Bootes.
Von Suko sah ich nichts.
Und auch nichts von dem Untier.
Eine wahnsinnige Angst überfiel mich. Ich begann zu zittern, schnappte krampfhaft nach Luft und schwamm auf den Bugteil zu, der sich am besten dazu eignete, um sich daran festzuhalten.
Bevor ich ihn erreichte, geriet neben mir das Wasser in Bewegung. Ein Augenblick später erschien ein Kopf.
Suko!
Er lebte, hatte seinen Mund weit aufgerissen, schnappte nach Sauerstoff, und ich sah das Blut aus einer Wunde an der Stirn rinnen. An den Wangen vermischte es sich mit dem Wasser, wo es zu einer rosafarbenen Flüssigkeit
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