0222 - Schlucht der stummen Götter
gekanntes Gefühl der Freude durchströmte mich, das allerdings sehr schnell verblaßte, wenn ich an Suko dachte und auch daran, daß noch nicht alles vorbei war. Kalifato existierte, auch seine Diener, die ihm bedingungslos gehorchen würden, wie ich erlebt hatte.
Auf der rechten Seite lag ich. Die Augen hatte ich weit geöffnet, sah dicht vor mir das dichte Gras und spürte, wie mich dessen Spitzen im Gesicht kitzelten. Ein Gefühl, das ich genoß, denn ich hatte nicht mehr damit gerechnet, es noch erleben zu dürfen.
Hinter mir lag ein verdammt harter Strauß. Nur allmählich erholte ich mich von ihm, auch mein Atem beruhigte sich nur langsam.
Die Lungen pumpten, ich öffnete den Mund, schloß ihn wieder, Gras geriet zwischen meine Zähne, das ich zerteilte und ausspie.
Dann spürte ich eine Berührung an der Schulter und eine wohlklingende Stimme erkundigte sich: »Bist du in Ordnung, John Sinclair?« Der Eiserne Engel hatte sich sehr schnell eine moderne Sprache angewöhnt.
Als Antwort winkelte ich die Arme an, drückte die gespreizten Hände auf den weichen Boden und stemmte mich in die Höhe. Auf Händen und Knien blieb ich hocken, dann erst kam ich auf die Füße.
Von einem leichten Schwindel blieb ich auch weiterhin nicht verschont, aber wer überwindet schon schnell das, was ich hinter mir hatte? Wohl kaum jemand. Ich stand so, daß ich auch über den See schauen konnte. Das Schiff war nicht in den Hafen oder ans Ufer gefahren, sondern lag noch weit entfernt und wiegte sich auf den Wellen, die sich nur allmählich beruhigten.
Auch der Himmel hatte seine seltsame grüne Färbung noch nicht verloren, nur das Gesicht wurde allmählich blasser, wenigstens hatte ich die Vermutung und sprach sie auch aus.
»Verschwindet Kalifato wieder?«
Der Eiserne Engel, er hatte wie ich auf den See geschaut, drehte den Kopf. Sein Gesicht schimmerte bronzefarben. Es war starr, und nur seine Augen lebten, in ihnen loderte ein wildes Feuer.
»Ich weiß nicht, ob er den Rückzug antritt, er hat mich gesehen und erlebt, daß mein Schwur in der Schlucht der stummen Götter Gestalt angenommen hat.«
»Schlucht der stummen Götter?« fragte ich. »Was ist das nun schon wieder?« Diese Frage hatte ich zu recht gestellt, denn ein neuer Begriff war aufgetaucht, mit dem ich nichts anfangen konnte.
»Es ist schwer und dennoch einfach, es dir zu erklären«, erwiderte der Eiserne Engel. »Die Schlucht der stummen Götter ist ein Refugium der weißen Magie. Dort sind die begraben, die damals das Gegengewicht zu den Großen Alten gebildet haben. Man findet dort keine Leichen, aber man sieht ihre Gesichter in die Felsen eingehauen. Es sind wissende, gütige und heilige Gesichter, denn sie haben sich gegen das Böse gestemmt. Sie verloren und müssen bis ans Ende aller Tage dort ihr Dasein fristen. Aktiv können sie nicht mehr in den Kampf gegen das Böse eingreifen, sie können allerdings warnen und Ratschläge geben, auch diese nur in begrenzter Form.«
»War Kalifato in der Schlucht?« wollte ich wissen.
»Nein, das kann ihm und den anderen Urzeitdämonen nicht gelingen. Die Schlucht ist durch eine magische Sperre abgeriegelt, durchbrechen kann man sie nicht, obwohl die Gegner es immer wieder versucht haben, letzten Endes aber gescheitert sind.«
»Wo liegt die Schlucht?«
Da verzog der Eiserne Engel seinen schmallippigen Mund zu einem Lächeln. »Den Platz kann man nicht genau bestimmen. Vielleicht zwischen den Zeiten oder den Dimensionen. Im Nirgendwo, wer kann das sagen? Ich finde immer hin, anderen bleibt der Weg verschlossen.«
»Auch mir?«
Der Eiserne Engel schaute mich an. »Das ist gut möglich«, gab er zu. »Denn die Schlucht der stummen Götter ist für die meisten eine Tabuzone. Du wirst da keine Ausnahme machen. Und noch etwas solltest du wissen. Den Göttern, deren Gesichter in der Schlucht sind, habe ich alles zu verdanken. Sie waren es, die mich erschufen.«
Ich war überrascht. »Du bist von ihnen…«
»Ja, das bin ich.«
»Aber dann hast du mehrere Väter, oder…«
»Nein, ich habe nur einen Vater.«
»Deine Mutter?«
»Darüber möchte ich schweigen. Vielleicht gibt es sie, vielleicht auch nicht. Möglicherweise erfährst du es eines Tages, dann wirst du um einiges schlauer sein, aber die Zeit ist noch nicht reif. Zunächst müssen wir Kalifato stoppen.«
»Geht das überhaupt?«
Darauf bekam ich keine Antwort. Für mich ein Beweis, daß auch der Eiserne Engel ratlos sein konnte. Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher