0224 - Nur der Satan kennt Manhattan
stellte mich so mit dem Rücken gegen die Wand, dass mich die Tür zunächst verdecken musste, wenn sie auf gestoßen wurde.
Dabei hielt ich meinen Kopf so dicht an den Türspalt, dass ich einiges von den Geräuschen aus der Küche mitbekam. Nach einiger Zeit wurde ein Stuhl geräuschvoll zurückgeschoben. Eine scharfe Stimme sagte, und ich war überrascht, wie deutlich ich es verstehen konnte: »Wo steckt deine Kasse?«
Einen Augenblick war es still. Dann kam die klägliche Stimme des alten Mannes.
»Aber, Sir, Sie werden doch nicht einem alten Mann die sauer verdienten Cents abnehmen! Es ist doch kein großes Geschäft hier zu machen. Was ich verdiene, reicht gerade für mich, für die Steuern und für die Lieferanten! Sir, ich wüsste ja nicht einmal, wie ich morgen früh die Würstchen einkaufen soll, wenn Sie…«
»Halt’s Maul!«, fuhr Ronders ihn grob an. »Los, wo steckt die Kasse? Ich zieh dir den Pistolenlauf über den Schädel, wenn du das Maul nicht aufmachst.«
Wieder trat einen Augenblick Stille ein. Dann sagte der Alte etwas so leise, dass ich es nicht verstand. Gleich darauf klirrte etwas, und der Gangster rief: »Gib den Schlüssel her!«
Der Alte schien zu gehorchen. Ich hörte metallische Geräusche, das Klappern von Münzen in einem Kassetteneinsatz und danach die raue Stimme von Nicky Ronders: »Du lässt mich raus, kapiert? Ich werde eine Weile in der Nähe bleiben. Wenn du zu schnell anfängst, Radau zu schlagen, puste ich dir noch von draußen eine Kugel in deinen alten Dummkopf.«
»Ja, Sir«, sagte der Alte ergeben.
Ich hatte genug gehört. Auf leisen Sohlen huschte ich, so schnell ich konnte, um die Bude hemm nach vorn. Trotzdem kam ich zu spät. Als ich um die Ecke bog, schritt Nicky Ronders gerade von der Bude weg auf die Straße hinaus. Aber dann peitschte auf einmal scharf und durchdringend Phils Stimme hinter ihm her.
»Halt, Ronders! Stehen bleiben und Hände hoch!«
Nicky Ronders dachte nicht daran. Er fuhr herum und schoss bereits, als er sich noch gar nicht weit genug gedreht hatte. Er zog vier Mal hintereinander durch, aber zusammen mit seinen letzten beiden Schüssen krachten auch Phils und meine Pistole. Nicky Ronders warf die Arme in die Luft, stand einen Herzschlag lang in unnatürlicher Körperhaltung wie erstarrt, dann kippte er nach vorn und schlug mit dem Kopf gegen die Bordsteinkante.
Wir liefen hin. Der alte Tom kam händeringend und langsam aus dem Schatten seiner Bude näher. Phil wälzte Ronders auf den Rücken. Ich leuchtete ihn mit der Taschenlampe ins Gesicht.
Es war nichts mehr zu machen. Nicky Ronders war tot.
***
»FBI RÄUMT AUF!« schrie die Schlagzeile der Tribune am nächsten Morgen zweispaltig von der ersten Seite.
»Innerhalb von knapp vierzehn Stunden nach dem verwegenen Raubüberfall in der Downtown ist es den tüchtigen New Yorker G-men bereits gelungen, drei der beteiligten Gangster zu stellen. Bill Lesskow und Roger Hell wurden in einem Tanzlokal in Harlem nach einem harten Kampf von zwei FBI-Agents überwältigt. Der bei dieser Gelegenheit entkommene Gangster Nicky Ronders wurde abends gegen zehn Uhr beim Verlassen einer von ihm soeben ausgeraubten Imbissstube von den G-men gestellt. Er eröffnete das Feuer auf die FBI-Agents, wurde dabei tödlich verwundet und starb sofort. Es steht zu erwarten, dass nach einem solchen massiven Anfangserfolg auch die übrigen Gangster bald gefasst werden. Die G-men haben wieder einmal bewiesen, dass die Zeiten Al Capones endgültig vorbei sind…«
Ich grinste und schob das Blatt über den Schreibtisch zu Phil.
»Da«, sagte ich. »Lies mal, was für ein Held du bist. Mit den Zeitungen ist es eine merkwürdige Sache. Heute loben sie dich in den Himmel und schon Morgen beweisen sie dir deine Unfähigkeit.«
»Nimm’s ihnen nicht übel«, brummte. Phil, ohne dem Artikel, den ich nur bis zur Hälfte gelesen hatte, auch nur einen Blick zu gönnen. »Wenn ich Reporter wäre, wüsste ich auch oft genug nicht, was ich schreiben sollte. Na, dann hacken sie eben ein bisschen auf uns herum. Daran habe ich mich längst gewöhnt. Gib lieber mal von dir, was du heute zu tun gedenkst. Ehrlich gesagt, ich bin mit meiner Weisheit ziemlich am Ende. Lesskow und Hell werden noch immer verhört. Die Burschen sind verdammt hart. Wenn sie nicht auspacken, stehen wir ziemlich hilflos da.«
»Abwarten«, sagte ich. »Da ist ja noch allerlei Papier auf meinem Schreibtisch. Untersuchungsbefunde und so weiter. Vielleicht
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