0225 - Blüten mit dem Todeszeichen
Moore gesehen hatten. Ich stand auf und machte mich an den Pförtner heran. Nachdem eine Fünf-Dollar-Note ihren Besitzer gewechselt hatte, taute der Portier auf.
»Nein, Sir«, sagte er leise, »Mister Moore ist gestern abend nicht allzu spät nach Hause gekommen. Ich hatte bis zehn Uhr Dienst, und er kam noch vor meiner Ablösung. Es könnte höchstens sein, daß er nach zehn das Hotel noch einmal verlassen hat.«
Ich nickte und dachte.
»Sie könnten ihn nicht unter irgendeinem Vorwand in seinem Zimmer anrufen, wie?« erkundigte ich mich und ließ den zweiten Fünfer über den Tisch rutschen. »Ich möchte gern wissen, ob er wirklich noch in seinem Zimmer ist.« Der Portier warf einen kurzen Blick auf das Schlüsselbrett.
»Der Schlüssel ist nicht da«, murmelte er. »Ich könnte allerdings fragen, ob wir für Mister Moore noch ein Frühstück zurückhalten sollen, weil es schon so spät ist. Hoffentlich fühlt sich Mister Moore durch eine solche alberne Frage nicht belästigt!«
Ich sagte nichts dazu. Der Portier ließ es sich noch einmal durch den Kopf gehen, dann aber trug der Fünfer den Sieg davon. Er telefonierte. Aber er bekam keine Antwort. Lange Zeit lauschte er am Hörer, bis er ihn mit einer Gebärde des Bedauerns sinken ließ.
»Mister Moore meldet sich nicht«, sagte er. »Das verstehe ich allerdings nicht. Er muß in seinem Zimmer sein. Einen Augenblick, ich werde unseren Hoteldetektiv rufen und ihm diese eigenartige Sache erzählen.«
Der Hoteldetektiv war ein Bulle von Kerl, an die zwei Meter groß und breit wie ein ausgewachsener Orang-Utan.
»Was für ein Interesse haben Sie an Mister Moore?« fragte er mich mißtrauisch.
»Wir sind Geschäftspartner«, sagte ich vage.
»Wir?«
Ich nickte und zeigte mit dem Kopf auf Phil, der noch in seinem Sessel in der Halle saß und gelangweilt in den Illustrierten blätterte.
»Okay«, sagte der Detektiv. »Ich werde mal raufgehen und sehen, ob mir Mister Moore öffnet. Zumindest ist es ja ungewöhnlich, daß ein Gast nachmittags um halb drei noch nicht gefrühstückt hat und sich am Telefon auch nicht meldet. Es könnte ihm etwas zugestoßen sein. Herz oder so, heutzutage muß man da vorsichtig sein.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich gleich mal mitkomme?« fragte ich.
»Von mir aus!«
Wir fuhren mit dem Lift hinauf in der! dritten Stock. Unterwegs dachte ich fieberhaft nach, wie ich unsere Bekanntschaft mit Moore anbahnen könnte, wenn er jetzt wirklich die Tür öffnete. Aber noch bevor ich diese Frage entscheiden konnte, hatte sich schon herausgestellt, daß Moore offenbar nicht daran dachte, sich stören zu lassen. Er reagierte auf das deutliche Klopfen des Hoteldetektivs überhaupt nicht.
»Was machen wir denn nun?« murmelte der Kollege aus der Hotelbranche ratlos.
Ich zuckte die Achseln.
»Das müssen Sie entscheiden. Aber wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mir gewaltsam Zugang zu diesem Zimmer verschaffen.«
Er sah mich an, als hätte ich ihm geraten, zu Fuß zum Mond zu pilgern.
»Ge… gewaltsam?« stotterte er. »Wie denken Sie sich das? Ich kann doch nicht in e;in Zimmer eindringen, in dem sich ein Gast unseres Hauses eingeschlossen hat!«
»Angenommen, der Mann wäre plötzlich so krank geworden, daß er sich nicht mehr rühren kann«, sagte ich. »Wollen Sie ihn da drin verhungern lassen? Das gibt's doch gar nicht, daß sich jemand bis nachmittags halb drei nicht meldet, nicht ans Telefon geht und auf kein Klopfen reagiert! Da stimmt doch etwas nicht!«
Er runzelte die Stirn.
»Sie können recht haben«, gab er zu.
»Ich werde versuchen, den Schlüssel aus dem Schloß zu stoßen, damit ich mit unserem Nachschlüssel öffnen kann.«
»Ein guter Gedanke«, lobte ich.
Ein paar Minuten lang stocherte der Hoteldetektiv mit einer Fingernagelpfeile im Schloß herum, dann hörte ich es hinter der Tür leicht poltern. Inzwischen hatte der Etagenkellner schon den Nachschlüssel gebracht. Eine halbe Minute später ging die Tür lautlos nach innen auf.
Ich reckte mich und blickte dem Hoteldetektiv über die Schulter. Im Türspalt konnte man deutlich das Bett erkennen. Auf dem Bett lag ein Mann in einem Abendanzug. Aber das Bettlaken war nicht mehr weiß, sondern rostbraun. Und aus dem Jackett des Mannes ragte steil der Griff eines Dolchmessers empor. Bill Moore mußte bereits seit vielen Stunden tot sein.
***
Tote kann man nicht mehr kennenlernen. Mit einer Leiche läßt sich keine vorgespiegelte Freundschaft
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