0226 - Tokatas Erbe
Eis?«
»Auch das.«
Johnny jubelte und hielt nach der nächsten Eisbude Ausschau. Er fand auch eine, zog mich hin, und ich mußte mich wieder anstellen, denn die Eisbuden waren bei der Hitze belagert. Ich hatte Johnny das Eis nicht ohne Hintergedanken verkauft, denn ich hoffte, daß er die Achterbahn vergessen würde. Den Gefallen tat er mir nicht. Während wir in der Schlange langsam weiterwanderten, redete er ununterbrochen davon.
Ich versuchte ihn auf Auto-Scooter umzustimmen und lockte damit, daß er da selbst lenken könnte, aber er wollte nicht. Die Achterbahn reizte viel mehr.
»Du bist zu klein«, unternahm ich einen letzten Versuch.
»Nein, Onkel John. Da sind noch viel kleinere in den Wagen. Guck genau hin…«
Was sollte ich da noch drauf erwidern? Er hatte ja recht. Bills Sohn war wirklich ein gewieftes Kerlchen. Johnny bekam sein Eis und lief zu seinen Eltern zurück.
»Wir fahren mit der Achterbahn!« rief er begeistert.
»Noch habe ich nicht zugestimmt«, schwächte ich ab.
»Aber du hast mal gesagt, daß ich immer damit fahren kann, womit ich möchte.«
Der Junge behielt aber auch alles. Ich zog ein saures Gesicht und mußte zähneknirschend zustimmen. Ja, gesagt hatte ich es, daran gab es nichts zu rütteln.
»Also gut, Johnny, du hast mich überlistet. Wir fahren mit der Achterbahn.«
Sheila wollte etwas sagen, sie öffnete schon den Mund, doch die Worte verschluckte sie.
Bill hielt sich raus. Er stand neben uns, hatte den Kopf gedreht und schaute in den strahlend hellen Himmel. Eine Sonnenbrille schützte dabei seine Augen.
Johnny hatte wohl noch nie so schnell ein Eis gegessen. Das geschmolzene Zeug lief außen am Hörnchen nach unten und tropfte auch auf seine Hand, was ihn jedoch nicht weiter störte, denn er leckte es kurzerhand ab.
Sheila versuchte noch einmal, auf ihren Sohn einzuwirken, doch Johnny wollte unbedingt fahren. Zum Schluß hatten wir alle drei nachgegeben.
Als er den letzten Krümel verspeist und Sheila ihm den Mund abgewischt hatte, griff er schon nach meiner Hand, damit ich nur nicht auf die Idee kam, wegzulaufen.
»Dann viel Glück«, sagte Bill und grinste, während Sheilas Lächeln gekünstelt aussah.
Auch ich fühlte mich nicht glücklich, denn ich mußte immer wieder an die Begegnung mit dem Goldenen denken. Er hatte mich vor einem Unheil gewarnt. Wann würde es kommen und zuschlagen? Gern hätte ich jetzt in die Zukunft gesehen, aber man kann nicht alles haben, so vertraute ich auf mein Glück, löste zwei Karten und reihte mich mit Johnny ebenfalls in die Schlange der wartenden Menschen ein. Sie war nicht sehr lang. Zudem ging es flott voran.
Die Menschen, die aus den Wagen stiegen, sahen unterschiedlich aus. Einige von ihnen lachten und andere waren blaß und kalkig im Gesicht, denen war die rasante Fahrt in der Tat auf den Magen geschlagen.
Zum Glück konnten wir nebeneinander sitzen. Hinter uns stiegen zwei Mädchen ein, sie waren etwas älter als Johnny und hatten einen Heidenspaß.
Durch die Hand eines Mannes wurde der Wagen, in dem wir saßen, langsam vorangeschoben, bis zu einem bestimmten Haltepunkt. Ich richtete meinen Blick in die Höhe. In einer langen Geraden führte die Schiene vor uns hoch. Sie schien in den Himmel stoßen zu wollen.
Johnny ergriff meine Hand. »Onkel John, Angst habe ich wirklich nicht.«
»Das ist fein.«
»Höchstens um dich.«
»Warum das denn?«
»Nachher wird dir noch schlecht. Kinder sind da stärker als Erwachsene, glaube ich…«
»Da hast du sicherlich recht«, erwiderte ich lächelnd und bekam mit, wie der kleine Wagen sich in die Höhe schob.
Unsere Fahrt mit der Achterbahn begann…
***
Zu Hause bei den Conollys.
Ein Bungalow im Londoner Süden. Rollos vor den Fenstern. Gekippte Stühle auf der Terrasse, Sonnenstrahlen, die auf das Dach knallten und die Erde im Garten austrockneten. Ein verlassenes Haus, aber trotzdem durch eine ausgezeichnete Alarmanlage gesichert.
Nadine Berger, der Wolf, lauerte. Das Tier hatte sich ein schattiges Plätzchen ausgesucht, denn die Sonnenstrahlen empfand es wie die Menschen nicht als sehr angenehm. Es hockte unter einer Markise und machte einen schläfrigen Eindruck. Nur hin und wieder öffnete es die Augen, um ein wenig zu blinzeln.
Jemand, der Nadine Berger früher gekannt hatte, der wäre erstaunt gewesen, denn die Augen der Wölfin zeigten den gleichen Ausdruck wie die der Nadine Berger als Mensch. Aber es sah niemand das Tier, und so sollte es auch sein.
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