0227 - Der Duplo und sein Schatten
Mutant ließ sich in den Stuhl neben dem Tisch sinken und streckte die Beine aus. Er wollte nicht ständig an das Verschwinden seines Bruders denken, aber der entsetzliche Schmerz, den ihm das Zerreißen des paranormalen Bandes mit Tronar zugefügt hatte, ließ sich nicht vergessen.
Mit Tronars Ende war ein Teil seines eigenen Ichs gestorben.
Rakal war so in die Erinnerung vertieft, daß er nicht hörte, wie sich abermals Schritte näherten und jemand an die Tür klopfte.
Erst als geöffnet wurde, fuhr er herum. „Tronar ...", rief er. Der kleine, hagere Mann an der Tür versuchte ein Lächeln. „Ich bin es, Dr. Nardini", sagte er. Rakal winkte. „Kommen Sie herein, Doc."
Nardini gehörte zu den Betreuern, die ständig um ihn herum waren. Rakal fühlte, daß Dr. Nardini als einziger zu begreifen versuchte, was der Mutant erlitten hatte. Die anderen sahen in ihm nur einen psychologischen Fall von besonderer Bedeutung.
Nardini übersah die Weinkaraffe. Er machte nie irgendwelche Vorwürfe oder Vorschriften. Er lud Rakal ab und zu zu einer Billardpartie oder zu einem Schachspiel ein. Rakal wußte, daß der Arzt ihn auf diese Weise ablenken wollte. Leider gelang ihm das nie.
Nardini ging bis zum Tisch. Seine Bewegungen wirkten fast schüchtern. Trotz seiner Hagerkeit sah Nardini elegant aus. Er trug einen teuren Anzug. Rakal wies auf den freien Stuhl. „Nehmen Sie Platz, Doc. Möchten Sie etwas zu trinken?" Als Nardini nickte, erhob sich Woolver und holte ein zweites Glas.
„Ich bin froh, daß Sie gekommen sind", erklärte Woolver offen.
„Kurz zuvor ging draußen jemand vorbei. Ich erschrak heftig, weil ich glaubte, Tronars Duplikat sei eingetroffen." Er runzelte die Stirn. „Das ist natürlich Unsinn. Tronar würde nie bis in diesen Raum gelangen, wenn er auf Kahalo eintrifft."
„Ihre Reaktion ist durchaus verständlich", meinte Nardini ruhig.
„Ich weiß nicht, was passiert, wenn er wirklich kommt", sagte Rakal bitter. „Manchmal befürchte ich, es könnte mich wahnsinnig machen."
„Die Inpotronik NATHAN auf Luna hat mit fünfundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit berechnet, daß der falsche Tronar Woolver hier auftauchen wird", erinnerte Nardini. „Die restlichen fünf Prozent sind natürlich ein Unsicherheitsfaktor."
„Ich soll einen Mann überlisten, der wie mein Bruder aussieht", rief Rakal erregt. „Fürwahr keine angenehme Aufgabe," Nardini sagte: „Nichts in diesem Gespensterkrieg mit den Methans ist angenehm, Mr. Woolver."
Er nippte an seinem Glas. Woolver sah, daß der Arzt den Wein genoß. Das war eine unglaubliche Fähigkeit des Mediziners.
Nardini konnte den unangenehmsten Situationen noch irgend etwas Positives abgewinnen.
„Gespensterkrieg, das ist das richtige Wort", bekräftigte Rakal.
„Hier scheint es nur darum zu gehen, wer den raffiniertesten Plan ausdenkt."
„Ich glaube, daß die Maahks einen festumrissenen Plan haben", sagte der Arzt. „Sämtliche Logikberechnungen, die auf unserer Seite angestellt wurden, deuten darauf hin. Unsere Gegner müssen bestrebt sein, die Justierungsstation hier auf Kahalo unter ihre Kontrolle zu bringen, um den Sonnensechseck-Transmitter nach Belieben beeinflussen zu können."
„Was ist mit der Gefahr einer maahkschen Invasionsarmee?"
fragte Rakal, um das Gespräch in Gang zu halten.
„Perry Rhodan, Atlan und Allan D. Mercant halten es im Augenblick für unwahrscheinlich, daß eine derartige Armee bei uns eingeschleust wird. Die Maahks können zwar in ihren Multi- Duplikatoren Millionen Kämpfer produzieren, aber sie benötigen schließlich Schiffe, um diese Duplos zu transportieren. Die Millionenheere der Maahks sind sinnlos, falls keine geeigneten Transportmittel - nämlich schwerbewaffnete Raumschiffe - zur Verfügung stehen."
Rakal Woolver blickte auf: „Glaubt Perry Rhodan vielleicht, daß der maahksche Geheimdienst diesen enormen Aufwand nur deshalb betreibt, um innerhalb der Milchstraße einige Multi- Duplikatoren aufzustellen?"
„Natürlich nicht", verneinte Dr. Nardini. „In unseren bisherigen Ermittlungen klafft eine Lücke, die es zu schließen gilt. Rhodan hofft, daß Sie, Rakal, der Mann sind, der weitere wichtige Informationen liefern wird."
„Ich kenne nur noch eine Aufgabe, die Mörder meines Bruders zu vernichten", erklärte Woolver. Er schenkte Wein in sein leeres Glas. „Klingt ziemlich pathetisch, was, Doc?"
„Durchaus nicht", erwiderte Nardini. „Ich würde an Ihrer Stelle ebenso
Weitere Kostenlose Bücher