0227 - Vier Killer kennen keine Gnade
unverhofften Geräusches, und schon konnte sich ein Schuss aus seiner Pistole lösen, den wir alle vermeiden wollten.
Der junge Lieutenant bekam einen roten Kopf, drehe sich um und verschwand, indem er mit wortlosen Gebärden ein paar Polizisten zu sich winkte. Wir wandten uns wieder der Tür zu.
»Hören Sie, Cuffersonich«, sagte ich halblaut und gab mir alle Mühe, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Ich möchte mit ihnen sprechen. Ich werde auf die Schwelle treten. Ich bin unbewaffnet.«
»Du bist verrückt«, zischte Phil. »Wenn er durchdreht, knallt er dich ab, bevor du auch nur Muck gesagt hast.«
»Irgendetwas müssen wir ja tun«, zischte ich leise zurück, während ich ganz langsam auf die offene Tür zuging.
»Was wollen Sie?«, fragte er.
Seine Haltung hatte sich noch immer nicht verändert.
»Lassen Sie das Kind los, Cuffersonich«, sagte ich. »Es ist unschuldig. Es hat nichts mit der ganzen Geschichte zu tun.« Sein Blick tastete sich langsam hoch. Die Pistole in seiner Hand zeigte nicht mehr genau auf die Stirn des Kindes, sondern, wenn ich es Von meinem Standort aus richtig sehen konnte, seitlich an der Nase des Jungen vorbei in den Raum herein.
Cuffersonich hatte, als ich auf die Schwelle trat, aus irgendeinem Grunde zu Boden geblickt. Jetzt kroch sein Blick ganz langsam von meinen Schuhen über die Hosenbeine, die Hüften und an der Brust entlang herauf in mein Gesicht. Ich glaubte, das Wandern dieses Blickes auf meinem Körper zu spüren.
»Was… was ist los?«, fragte er.
Seine Stimme klang müde. Ich sah genauer hin. Kein Zweifel. Er war müde. Ihm waren die Augen zugefallen. Zwar hielt er das Kind noch immer fest und hielt ihm auch noch den Mund zu, aber Cuffersonich war am Ende seiner Kräfte. Die Müdigkeit nach sechsunddreißig Stunden pausenloser, wilder Flucht, drohte ihn zu bezwingen.
»Lassen Sie das Kind los«, sagte ich noch einmal.
»Verschwinden Sie« kreischte er.
Ich sprang schnell zurück und außerhalb des Türausschnitts, so dass er mich nicht mehr sehen konnte. Phils und Madisons Gesicht waren eine einzige Frage, obgleich sie nichts sagten.
»Er ist müde. Eben waren ihm die Augen zugefallen. Zum Glück ist der Junge vor Angst wie gelähmt und wagt nicht, sich zu bewegen. Wenn wir noch eine Unze Glück beim Schicksal gut haben, wird er einschlafen. Dann müssen wir leise an ihn herankommen. Die Hauptsache ist, dass uns das Kind dabei nicht verrät. Wir warten jetzt drei Minuten. Dann versuche ich es…«
Fast gleichzeitig hoben sich Phils, Madisons und mein Arm. Drei Sekundenzeiger begannen ihren rhythmischen zerhackten Weg, sprangen von Teilstrich zu Teilstrich und vollendeten in der gefühllosen Unbeirrbarkeit einer Maschine ihre Kreise.
Ich fühlte, wie mein Herz bis in den Hals hinauf schlug. Als der dritte Kreis halb vollendet war, wischte ich meine von kaltem Schweiß nassen Handflächen an den Hosenbeinen ab und schob meine Pistole aus der Rocktasche zurück in die Schulterhalfter. Von dieser Stelle aus konnte ich sie schneller ziehen als aus der Rocktasche. Diesen Griff war man seit Jahren gewöhnt und darauf seit Jahren trainiert.
Als Phil nickte, trat ich vor. Ich tat die ersten beiden Schritte, während das Blut in meinen Ohren rauschte, das ich dachte, es würde mir den Schädel sprengen. Millimeterweise neigte ich Kopf und Oberkörper vor.
Meine Beobachtung hatte mich nicht getrogen. Cuffersonich schlief. Die rechte Hand mit der Pistole hatte sich noch ein wenig mehr gesenkt.
Ich legte den Zeigefinger an die Lippen und bewegte ihn dort ein paarmal in einer senkrechten Linie vom Mund weg und wieder an die Lippen. Hoffentlich verstand der Junge, was ich ihm sagen wollte.
Leise setzte ich den rechten Fuß vor und über die Schwelle. Erst jetzt fiel mir auf, dass in dem Zimmer ein Teppich lag. Aber das Ding fing erst zwei Schritte hinter der Tür an. Dieser schmale Streifen war von nichts bedeckt, was ein Geräusch meiner Schritte hätte mildern können.
Ich glaubte nicht, dass ich je im Leben meine Füße so millimeterweise bewegte.
Endlich hatte ich den Teppich erreicht. Und nun war es einfacher. Aber zugleich wurde es von Schritt zu Schritt gefährlicher, je näher ich ihm kam. Manche Leute haben ein geheimes Gespür für die Gefahr, selbst noch im Schlaf.
Dieser Weg war der längste, den ich je zurückgelegt habe. Er dauerte ein paar Minuten, aber jede einzelne Sekunde davon entsprach einem unbenennbaren Zeitraum. Der Junge starrte mich aus
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