0227 - Vier Killer kennen keine Gnade
sie irgendetwas 22 tun, was diesen Mann da am Schreibtisch um den letzten Rest von Verstand brachte. Zuerst musste die Frau weg.
Ich drehte mich um und packte sie. Sie mochte an die fünfunddreißig Jahre alt sein und war einfach gekleidet. Vielleicht die Frau eines Büroangestellten oder eines Verkäufers. Ein Gesicht, das sich meinem Gedächtnis unter normalen Umständen sicher nicht eingegraben hätte. Aber als ich sie damals an den Armen packte, um sie daran zu hindern, blindlings in das Bürozimmer hineinzulaufen, da hatte ich dieses von tödlicher Angst verzerrte Gesicht so nahe vor mir, dass sich ein paar Einzelheiten überdeutlich vor meinen Augen zeigten: die großporige Haut, der sanfte Schwung der zierlichen Nasenflügel, der kleine Leberfleck links am Kinn, die Andeutung einiger Fältchen in den äußeren Augenwinkeln. Übergroß aufgerissene Augen starrten mich an.
»Mein Junge!«, schrie sie. »Lassen Sie mich los. Lassen Sie mich zu meinem Jungen!«
Sie schrie es mit einer Stimme, die sich überschlug. Ich musste meine ganze Gewalt auf bieten, um sie von der Tür hinwegzuzerren, während sie sich mit allen Kräften, über die eine zu Tode erschrockene Mutter verfügen kann, dagegen wehrte.
Phil half mir und drückte die Frau von der Seite her weg. Wir redeten gleichzeitig auf sie ein, aber sie hörte uns überhaupt nicht zu. Immer schrie sie nach ihrem Kinde.
Das Geschrei hatte die Cops in den Treppenaufgängen mobil gemacht. Sie kamen von verschiedenen Seiten herangestürmt.
»Dass sich keiner von euch dort in der offen stehenden Tür sehen lässt«, brüllte ich ihnen entgegen.
Sie stutzen, sahen sich nach der Tür um und kamen weiter heran.
»Nehmt uns die Frau ab«, sagte Phil scharf. »Wir haben den Kerl. Er sitzt dort in dem Büro. Aber er hat eine Pistole in der Hand und das Kind dieser Frau auf dem Schoß.«
Die Polizisten erstarrten, einer schob sich in seiner sichtbaren Ratlosigkeit die Schirmmütze weit ins Gesicht und sagte tonlos:
»Auch das noch.«
Die Frau schrie nicht mehr. Sie schluchzte und stieß unartikulierte Laute aus. Zwei Polizisten hielten sie fest und sprachen beruhigend auf sie ein. Es war fraglich, ob die Frau auch nur ein Wort von ihnen verstand.
»Besorgt einen Arzt«, sagte ich. »Für die Frau.«
»Ja, Sir« erwiderte ein alter, grauhaariger Sergeant mit einem verwitterten Gesicht, als hätte er sich zeit seines Leben in den sonnendurchglühten Bergen Arizonas aufgehalten.
»Und lass alle anderen Zimmer in dieser Etage räumen und die Treppen hier besetzen«, fügte Phil hinzu. »Das ist im Augenblick das einzige, was wir tun können.«
Leider hatte er nur zu Recht. In dem Bürozimmer konnten wir nicht an den Kerl heran, jedenfalls nicht, solange er das Kind bei sich hatte. Und es gab keinen erdenklichen Grund, der ihn dazu veranlassen sollte, das Kind laufen zu lassen. Solange er den Jungen vor seiner Pistolenmündung hatte, konnte er sein Leben für die nächsten Minuten fristen. Ohne das Kind brauchte er nur die leiseste verdächtige Bewegung mit seiner Waffe zu machen, und er würde von unseren Geschossen durchsiebt werden. Natürlich wusste er das wie wir alle. Und deshalb würde er sich hüten, das Kind loszulassen. Das Kind war gleichbedeutend mit seinem eigenen Leben.
Wenn wenigstens die Einrichtung dieses Büros anders gewesen wäre. Aber rechts und links von der Tür - soweit wir es in den wenigen Augenblicken hatten erkennen können, als wir in der offenen Tür standen - erstreckten sich Aktenregale. Bis zum Schreibtisch gab es nichts weiter als einen Stuhl, der wohl für Besucher gedacht war. Und bis dahin waren es gut sechs bis acht Schritte. Keine einzige Deckung, die es einem gestattet hätte, ihm ein paar Schritte näher zu rücken.
Ich schob mich auf die offen stehende Tür zu. Als ich den Kopf langsam vorstreckte, bemerkte es Cuffersonich sofort. Seine rechte Hand zuckte. Mit dem linken Arm hielt er den Jungen fest an sich gepresst.
»Machen Sie keinen Unsinn«, sagte ich scharf. »Sie sehen ja, dass ich nicht bewaffnet bin«
Zum Beweis reckte ich ihm meine nackten Handflächen hin, denn meine Pistole hatte ich vorsorglich in die rechte Rocktasche gleiten lassen.
»Verschwinden Sie«, stieß er hervor. »Los, hauen Sie ab. Ich erschieße das Kind, wenn Sie nicht augenblicklich verschwinden.«
Seine Stimme war schrill und hysterisch. Ich trat schnell aus dem Türausschnitt zurück. Es würde keinen Sinn haben, an seine Vernunft zu
Weitere Kostenlose Bücher