0229 - Herrin der Dunkelwelt
geschehen war. Und jetzt fielen ihr auch die Ereignisse der Vergangenheit ein. Sie dachte an Alassia, an Dr. Tod, den Kampf auf der Insel und daran, daß man sie überwältigt hatte. Ihr letzter Eindruck war eine Frau gewesen, die auf sie zustürmte und mit irgendeinem Gegenstand zugeschlagen hatte. Danach war das Aus gekommen.
»Sie ist wieder da, unser kleiner Gast«, vernahm Kara eine spöttische Stimme. Von links war sie aufgeklungen. Unter großen Mühen drehte die Schöne aus dem Totenreich den Kopf.
Sie sah Lady X. Die Vampirin zeigte ihre beiden spitzen Zähne und hatte am Beckenrand Aufstellung genommen. Wieder einmal hielt sie ihre Maschinenpistole in der Hand, die Mündung wies auf die über dem Wasser hängende Kara, als hätte die Scott Angst, daß die Schöne aus dem Totenreich trotz ihrer miesen Lage noch durchdrehen und sie angreifen könnte.
Die beiden Frauen starrten sich an. Kara erkannte die blanke Gier und den unversöhnlichen Haß in den Augen der ehemaligen Terroristin, und sie wußte, daß man sie töten wollte. Zu den Füßen der Blutsaugerin lag ihr Schwert. Die einzige Waffe, die ihr geholfen hätte, war unerreichbar. Ihre Feinde hatten genau gewußt, wie man sie wehrlos machte, und als Kara ihren Blick abermals senkte, da glaubte sie, dicht unter der Wasserfläche Bewegungen zu sehen. Es waren schnelle, huschende Bewegungen, quirlig, mit den Augen kaum zu verfolgen.
»Freust du dich schon auf die Fischlein?« erkundigte sich die Vampirin höhnisch.
»Welche Fischlein?«
»Ach so. Vielleicht kennst du sie nicht. Es sind Piranhas. Manche sagen, daß sie schrecklicher als Haie wären, und der Meinung schließe ich mich an. Willst du mal sehen?« Lady X lachte, während sie sich bückte. Die MPi hatte sie in die linke Hand gewechselt.
Sie ging in der geduckten Haltung einige Schritte weiter und holte aus einem Eimer einen frischen, noch blutigen Fleischbrocken. Für einen Moment behielt sie ihn in der Hand, drehte ihn so, daß Kara ihn genau sehen konnte, bevor die Scott ihn in das Becken schleuderte. Im Nu war der Teufel los. Das Wasser begann zu kochen. Es gischtete und brodelte auf. Plötzlich spritzten Fontänen in die Höhe. Der Fleischklumpen schien sich zu bewegen. Unzählige, kleine, silbrig glänzende Leiber hatten sich an ihm festgehakt und sägten mit ihren messerscharfen Zähnen das Fleisch von den Knochen.
Manche Fische sprangen auch aus dem Wasser. Einige sogar sehr dicht vor Kara, die wußte, was mit ihr geschehen würde, wenn sie mit den Tieren in Berührung kam. So schnell es ging, hob Kara die Füße an. Das war auch nötig, denn drei Fische schleuderten ihre Körper aus den Fluten und schnappten bereits nach ihren Zehen. Karas Gesicht verzerrte sich. So wie sie da hing, war es fast unmöglich, die Stellung zu halten. Ihr Gewicht drückte, sie mußte einfach die Beine ausstrecken und konnte es auch riskieren, da die Fische sich jetzt mehr um das Fleisch kümmerten und es nur noch Sekunden dauerte, bis sie es restlos aufgefressen hatten. Für einen Moment schwammen noch zwei Knochen auf der Oberfläche, dann sanken sie langsam in die Tiefe.
»Nun«, höhnte Lady X, »wie hat dir die kleine Demonstration gefallen?«
Kara war leichenblaß geworden. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Sie schwieg, eine Antwort geben kannte sie nicht, dazu saß der Schock zu tief.
»Diese Piranhas freuen sich besonders auf Menschen«, erklärte die Scott kalt. »Sie sind gewissermaßen ein Festessen für sie. Und nun rate mal, welchen Tod wir für dich vorausgesehen haben, kleine Kara?«
»Du bist eine Bestie!«
»Ja, das bin ich in der Tat.« Lady X lachte. »Schade, ich hätte dir einen anderen Tod gewünscht. Einen süßeren, einen viel schöneren, aber leider war das nicht zu machen. Ich hätte dich gern als Vampir gesehen, glaub mir.«
»Darauf kann ich verzichten.«
»Du wirst in den Sekunden deiner Todesqualen anders darüber denken«, gab Lady X kalt zurück. Da schauderte Kara und schwieg. Sie wollte sich nicht noch mehr aufputschen lassen, es war schlimm genug, was man mit ihr anstellte, es sollte nicht weiter durch Worte untermalt werden.
Bisher hatte die Scott nur von ihr gesprochen und nicht von Myxin. Befand er sich noch auf der Insel? War er gefangengenommen worden, oder war ihm die Flucht gelungen? Wenn ja, sah Kara noch einen rosigen Streifen am Horizont. Dann war es durchaus möglich, daß er sich in ihrer Nähe befand und versuchen würde, sie zu befreien. Aber sie
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