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023 - Das Kastell der Toten

023 - Das Kastell der Toten

Titel: 023 - Das Kastell der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca LaRoche
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silberner Schleier über dem Schlosshof. Nichts regte sich. Aber Dave wusste genau, dass er eben einen Schrei vernommen hatte, einen menschlichen Schrei, und er war entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.
    Er zündete die Kerzen wieder an.
    Inzwischen kannte er das Schloss etwas besser, wusste jedenfalls, wo Tessas Zimmer lag. Langsam, mit gespannten Sinnen, suchte er sich seinen Weg durch das Gewirr der Flure, kletterte eine Treppe hinunter und gelangte schließlich in den Mitteltrakt des Gebäudes.
    Er brauchte nur wenige Minuten, um festzustellen, dass keine der drei Schwestern in ihrem Zimmer war.
    Die Türen standen offen, die Baldachinbetten waren unberührt. Ratlos blieb Dave stehen. Sämtliche Bewohner des Schlosses schienen ausgeflogen zu sein — und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, welche Art von nächtlichem Ausflug die Mädchen zusammen mit dem Hausdiener unternahmen.
    Falls Marcello tatsächlich der Hausdiener war!
    Vielleicht tarnte er sich nur mit dieser Rolle. Vielleicht spielte er in Wahrheit den heimlichen Liebhaber und...
    Aber warum hatte er dann Angst?
    Warum... und .wovor?
    Dave biss sich auf die Lippen. Das unangenehme Gefühl in seiner Magengrube verstärkte sich. Schließlich wandte er sich ab, ging über den Flur zurück und suchte den Weg in die Halle hinunter.
    Auch hier war niemand.
    Aber die schwere eichene Haustür stand offen — und Dave ging, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, darauf zu.
    Unschlüssig blieb er auf dem leeren Schlosshof stehen. Eine Fledermaus flatterte über ihn hinweg — ein gespenstischer schwarzer Schatten. Irgendwo schrie ein Käuzchen, und der klagende Laut jagte Dave einen Schauer über den Rücken.
    Eine huschende Bewegung ließ ihn den Kopf wenden.
    Wie ein Pfeil löste sich ein geschmeidiger Leib von der Steinbank auf der anderen Seite des Schlosshofs. Er erkannte die große getigerte Katze. Grüne Augen funkelten ihn an. Für einen Moment verharrte das Tier, machte böse fauchend einen Buckel, dann warf es sich geschmeidig herum. In langen Sätzen jagte es über den Hof. Dave folgte dem Tier mit den Augen — dabei nahm er den schwachen gelblichen Lichtschein wahr.
    Hoch oben hinter den schmalen Schießscharten Fenstern eines Turmes mussten Kerzen brennen.
    Nur ein Schimmer drang nach draußen — aber er unterschied sich deutlich von dem silbernen Mondlicht. Daves Blick folgte den Linien des massigen, abweisenden Gebäudes und blieb an der dunklen Öffnung der Tür hängen.
    Er zögerte.
    Der Gedanke, um diese nachtschlafende Zeit in den alten Turm hinaufzusteigen, behagte ihm nicht. Aber das Kerzenlicht hinter den Schießscharten war unzweifelhaft vorhanden. Also musste jemand dort oben sein — und diesen Jemand wollte er sprechen.
    Den Leuchter in der Linken, überquerte er den Hof und probierte die rostige Klinke der Pforte. Sie war nicht abgeschlossen. Modrige Kühle schlug ihm entgegen, die Kerzenflammen flackerten im Luftzug und geisterten über die erste Windung einer steilen steinernen Wendeltreppe.
    Dave kletterte aufwärts.
    Seine Sinne waren aufs äußerste gespannt. Rasch und lautlos folgte er den Windungen der Treppe, passierte immer wieder die hohen und schmalen Schießscharten und landete schließlich auf einer kleinen Plattform, von der eine Tür abzweigte.
    Täuschte er sich, oder konnte er dahinter das Gemurmel einer Stimme hören?
    Er presste die Lippen zusammen. Kurzerhand hob er den Arm und klopfte mit dem Knöchel gegen das morsche Holz.
    Hinter der Tür wurde es still. Aber nur für eine kurze Sekunde.
    »Komm herein, mein Sohn«, krächzte eine Stimme, die er noch nie gehört hatte.
    Er öffnete die Tür — und im nächsten Moment zuckte er heftig zusammen.
    Ein Schatten wischte an seinen Beinen vorbei, jagte mit wütendem Fauchen die Treppe hinunter. Gleichzeitig entstand ein scharfer Luftzug, löschte wie mit einem Schlag die Kerzen des Leuchters, den er mitgebracht hatte, und ein irres, heiseres Kichern drang an sein Ohr.
    Für einen Moment glaubte er sich in ein Märchen versetzt — ein Märchen, in dem Hexen oder böse Feen in vergessenen Turmzimmern hausten und Unheil spannen. Er starrte die Frau an, die da in einem dunklen, leise quietschenden Schaukelstuhl saß, verkrümmt, verhutzelt, mit wirren grauen Haaren. Wie alt mochte sie sein? Achtzig? Neunzig? Ihre schwarzen Knopfaugen funkelten neugierig, spiegelten das Licht der Kerze, die neben ihr auf dem Tisch stand, und der zahnlose Mund

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