023 - Der grüne Bogenschütze
mitsamt dem Teppich, auf dem er stand, zur Seite, so daß der Parkettboden an dieser Stelle freilag. Mit einer Messerklinge fuhr er in eine Ritze zwischen den Quadraten des Parketts und hob ein Holzplättchen heraus. Er faßte nach einer Holzkante und zog eine Falltür hoch, die sehr geschickt und genau in den Fußboden eingepaßt war. Zum Vorschein kam eine Steinplatte mit einem Metallschloß, in das Bellamy einen Schlüssel steckte und herumdrehte. Er setzte einen Fuß auf die Steinplatte, drückte sie etwas nieder, worauf er sie, durch einen unsichtbaren Mechanismus, halb zur Seite drehen konnte. Steinstufen führten in die Tiefe.
Bellamy ging zum Tisch zurück, stellte ein paar Schüsseln auf ein Tablett und verschwand damit nach unten. Die Treppe mündete in einen schmalen Gang, der direkt auf eine Tür zuführte. Bellamy schloß auf und stieß den Riegel zurück. Er mußte sich bücken, der Gang war hier ein Stück weit viel niedriger, bildete einen tunnelartigen Durchgang und führte durch die Fundamentmauern der Burg hindurch. Der Raum, den er nun betrat, lag außerhalb der Burgmauern.
Die unterirdische Wohnung bestand aus drei Räumen, einem großen und zwei kleinen, und war luxuriös eingerichtet. Im Wohnzimmer bedeckten schöne Teppiche den Boden, echte Gobelins hingen an den Wänden, es gab eine Couch, weiche Kissen, bequeme Sessel, jedes Möbelstück war geschmackvoll und auserlesen, von der Decke hing ein elektrischer Kronleuchter.
Das Zimmer war leer. Er trat in den nächsten Raum, die Küche, in der ein Gasherd und der Gasofen für die Beheizung standen. Neben der Küche lag ein schmales Badezimmer.
»Elaine!« rief er laut.
Eine Frau kam langsam aus dem Badezimmer. Sie trug ein langes, dunkles Kleid.
»Dein Essen -«, sagte Bellamy, »ich hab' dich nicht vergessen. Hast du dir schon mal überlegt, was passiert, wenn ich dich vergessen würde? Nimm nur an, ich wäre krank. Du müßtest glattweg verhungern, Elaine!«
So oft schon hatte sie derartige Reden gehört und achtete nicht mehr darauf. Schweigend setzte sie sich an den Tisch und aß mechanisch einige Bissen. Die Jahre der Gefangenschaft hatten ihr Gesicht blaß und durchsichtig gemacht.
Bellamy lehnte mit verschränkten Armen an einem Pfeiler und beobachtete sie.
»Ich habe heute Valerie gesehen, hörst du, Elaine. Bestimmt hätte sie dir liebevolle Grüße geschickt, wenn sie wüßte ...«
Zum erstenmal sah die Frau auf.
»Ich glaube dir nicht mehr, du hast zu oft erzählt, du hättest Valerie gesehen. Du lügst nur. Alles, was du mir je gesagt hast, waren Lügen.«
»Kennst du Coldharbour Smith?«
Sie gab keine Antwort.
»Wie du willst. Du wirst bald Gelegenheit haben, deine Erinnerung aufzufrischen! Neuerdings treibt sich ein Polizeispitzel in der Gegend herum. Ein schlauer Bursche! Hat die Erdtemperatur rund um die Burg gemessen und tatsächlich deine Küche herausgefunden! Seine Vermutungen waren ganz richtig, aber ich habe ihn trotzdem an der Nase herumgeführt.«
Sie sagte nichts, aber er war an ihr Schweigen gewöhnt und ärgerte sich nicht mehr darüber.
»Valerie ist hübsch geworden. Sieht aus wie du in deiner Jugend, dieselben Augen, dasselbe Haar und - der gleiche Eigensinn.«
Sie stand seufzend auf.
»Ich weiß, daß Valerie tot ist.«
»Du bist eben verrückt - bist es immer gewesen, sonst hättest du damals die Gelegenheit, mich zu heiraten, benutzt!«
Er packte das Tablett, ging zur Tür und schlug sie krachend hinter sich zu. Oben stellte er die Schüsseln auf den Serviertisch, schloß die Falltür, tilgte alle Spuren und rückte den Schreibtisch wieder an den alten Platz.
Etwas später klingelte er nach seinem Sekretär.
»Sie gehen morgen in die Stadt, Savini, aber bleiben Sie nicht zu lange. Wie ich höre, sind Sie verheiratet?«
»Jawohl, Mr. Bellamy.«
Savini wunderte sich, woher er es wußte. Featherstone konnte es ihm nicht gesagt haben. Da fiel ihm Coldharbour Smith ein, mit dem sein Schwager Jerry sicher in Verbindung stand. Und tatsächlich sagte jetzt Bellamy, während er in einer Zeitschrift blätterte, scheinbar gleichgültig:
»Smith hätte eine gute Aufgabe für Ihre Frau. Ich vermute, Sie haben nichts dagegen, wenn sie sich etwas Geld verdient? Auf ehrliche Weise.«
Julius sah ihn erstaunt an. Eine gänzlich unerwartete Entwicklung - er war gespannt, was der Alte vorhatte. Er kannte Bellamy und merkte, wie interessiert er an der Sache war.
»Gehen Sie zu Ihrer Frau, wenn Sie morgen in
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