023 - Der Kopf des Vampirs
Instrumente. Es waren Bestecke, wie man sie zum Öffnen der Schädeldecke verwendete: ein Skalpell, ein Spatel, ein Löffel und eine Knochensäge.
»Was haben Sie damit vor?«
»Ich werde Ihnen das Gehirn herausnehmen, Hunter.«
»Hier? Im fahrenden Zug?«
»Es wird wohl nicht sehr fachmännisch und sauber vor sich gehen, aber es muß gehen. Die Schäden, die ich Ihrem Gehirn dabei zufüge, wird Mijnheer Zaander sicher wieder beheben können. Er hat schon weit schwierigere Sachen vollbracht.«
»Johan Zaander schickt Sie? Der Mann, zu dem wir mit Thören Rosqvanas Kopf wollten?«
»Allerdings. Professor Zaander hat andere Pläne, Mr. Hunter.«
Ndoyo sprach nach wie vor freundlich im Konversationston. Gerade das machte die Szene noch schauriger. Der Zug raste mit hundertsiebzig Stundenkilometern durch die Nacht.
»Was ich nun tun muß, mache ich nicht gern, Mr. Hunter, aber ich muß den Befehlen meines Herrn gehorchen. Mir bleibt keine andere Wahl, wenn ich nicht gräßlich enden und auf ewig furchtbare Qualen erleiden will.«
»Sie können mich töten«, sagte Dorian Hunter, »doch Sie werden nicht aus dem Zug kommen, das versichere ich Ihnen.«
»Irrtum, Mr. Hunter. Ich ziehe die Notbremse, sobald ich Ihr Gehirn habe, und fliehe durchs Fenster.«
Den Plan, auch Coco zu töten, hatte er vorläufig fallenlassen. Er hob die Pistole, um Dorian eine Kugel durchs Herz zu schießen. Der Dämonenkiller hatte keine Chance. In Ndoyos Augen sah er, daß dieser abdrücken würde.
In diesem Augenblick kreischten die Bremsen. Abrupt verlangsamte sich das Tempo. Ndoyo verlor das Gleichgewicht.
Dorian bog den Oberkörper zur Seite. Die Kugel verfehlte ihn knapp. Ndoyo konnte sich nicht auf den Beinen halten und fiel hin. Die blaue Tasche polterte zu Boden, die chirurgischen Instrumente klapperten durchs Abteil.
Jemand hatte die Notbremse gezogen. Das Gerüttel und Geschüttel des bremsenden Zuges warf Reisende und Gepäck durcheinander. Der Vampirkopf kollerte aus der offenen TWA-Tasche unter die Sitze, und der gefesselte Donald Chapman rollte ebenfalls aus der Tasche.
Dorian hielt sich an der Sitzlehne fest. Ndoyo zielte auf ihn, aber der Dämonenkiller trat ihm gegen die Hand. Ein kleines Loch mit sternförmig angeordneten Sprüngen erschien in der Scheibe zum Gang hin. Dorian warf sich nach vorn und packte Ndoyos Pistolenhand. Die beiden Männer rangen erbittert miteinander. Vom Gepäcknetz fiel Dorian ein Koffer ins Genick.
Dorian, sicher kein Schwächling, hatte alle Mühe, die Pistolenmündung von sich wegzudrehen. Ndoyo packte ihn an der Kehle und würgte ihn, daß Dorian die Augen hervortraten. Es gelang ihm, den Dämonenkiller abzuschütteln. Sie lagen nun nebeneinander. Da wurde die Tür aufgerissen. Marvin Cohen stand im Rahmen, den 38er in der Hand.
Endlich kam der Zug zum Stehen. Ein letzter harter Ruck warf Cohen gegen den Türrahmen. Sein Schuß ging ins Leere. Ndoyo entwand sich Dorians Umklammerung und schoß auf Cohen.
Die Kugel schrammte glühendheiß über Marvins Handgelenk. Mit einem Aufschrei ließ er den Revolver fallen. Dorian bekam die Hand des Gegners zu fassen und riß sie herum. Ndoyo schrie laut. Er mußte die Parabellum loslassen.
Coco drängte an dem fluchenden Marvin Cohen vorbei, eine kleine Astra-Pistole in der Hand.
Ndoyo packte den gefesselten Donald Chapman und hielt ihn sich mit der Linken schützend vors Gesicht. »Keine Bewegung! Sonst zerquetsche ich ihm den Schädel wie eine Nuß. Aus dem Weg!« herrschte er Dorian an.
Coco wagte nicht zu schießen. Die Astra war eine kleinkalibrige Waffe. Wenn sie Ndoyo nicht mit dem ersten Schuß tötete, war Chapman verloren.
Vor Schmerzen stöhnend, riß Ndoyo mit der rechten Hand, deren Daumen und Zeigefinger ausgerenkt oder angebrochen waren, das Abteilfenster auf. Mit einer Geste bedeutete er Dorian zurückzutreten.
Marvin Cohen hob seinen Revolver auf und wollte schießen, aber der Dämonenkiller entriß ihm die Waffe.
Ndoyo kletterte aus dem Zugfenster, sprang und lief davon. Er stolperte und stürzte, wobei er sich auf dem Schotter die Knie blutig schlug und die Hose zerriß. Aber er ließ Donald Chapman nicht los.
Der Zug war mitten in einem Wald zum Stehen gekommen. Ndoyo verschwand zwischen den Bäumen. Dorian rannte aus dem Abteil, riß die nächste Tür auf und stieg aus. Von Ndoyo sah er keine Spur mehr. Wohl hörte er ihn in der Ferne noch durch den dichten Wald brechen, aber die Geräusche entfernten sich rasch.
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