023 - Der Satan schickt die Höllenbrut
sterben würde. Aber es schien,
daß sie alles andere als ein Kind von Traurigkeit war.
Sie wirkte
freundlich und sympathisch. Und daß Su Hang einen Mann mit in ihr Heiligtum
brachte, schien sie zu amüsieren.
»Nanu,
Herrenbegleitung, Su? Das bin ich von dir ja gar nichtgewöhnt. Er sieht gut
aus. Na ja, du beweist eben immer einen guten Geschmack.« Sie hatte eine helle
Stimme, die zu ihrem Körper nicht recht paßte.
Elvira
räkelte sich in ihrem Kissenmeer, und ihr mächtiger Busen hob und senkte sich,
als wäre er selbst eines der prallen Kissen auf dem Diwan.
Sie beugte
sich zu Su hinüber. »Ich habe einen Kerl beobachtet. Er schleicht seit einer
Viertelstunde um deinen Wagen herum, sei vorsichtig! Der Bursche sucht etwas –
oder er wartet auf dich. Er benahm sich sehr merkwürdig.« Elvira entging
nichts. Sie saß ständig hinter dem Fenster. Sie war kaum auf den Beinen, da es
ihr schwerfiel, ihr Gewicht zu tragen.
Selbst
während der nur kurzen Auftritte vor dem Publikum mußte sie sich immer wieder
setzen, um auszuruhen.
Larry sah
sich um. An den Wänden hingen ausgesucht schöne Zeichnungen und Aquarelle, die
einen Stich ins Phantastische hatten. Es handelte sich offenbar ausschließlich
um Originale, und Larry vermutete, daß Elvira während ihrer Freizeit zeichnete.
Der Geruch
der Fleischbrühe verstärkte sich. Aus der Kochnische waren Geräusche zu hören.
Ein Topf klapperte, ein Löffel wurde herumgerührt, und eine zarte Stimme summte
ein Lied.
Larry mußte
sich nur ein wenig nach vorn zu beugen, um einen Blick in die Kochnische zu
werfen. Die Tür war halbgeöffnet, und durch den Spalt sah er eine kleine,
zierliche Gestalt, die auf einem riesigen Hocker stand und auf einem
Propangasherd eine Suppe kochte.
Der
Liliputaner sah kurz zur Seite, als Larrys Gesicht am Türspalt auftauchte. Sein
faltiges Gesicht verzog sich zu einem freundlichen Grinsen. »Hallo, mein Junge«,
sagte er und konnte sich erlauben, solche Reden zu schwingen. Burt, der
Liliputanermann, war dreiundfünfzig Jahre alt, aber er hatte die Gestalt eines
neunjährigen Knaben. Burt war nur knapp einen Meter groß, und sein altkluges,
faltiges Gesicht paßte nicht so recht zu seiner Gestalt. »Burt kocht ein
Süppchen, das sich sehen lassen kann, ein Süppchen nach eigenen Rezepten. Elvira
mag sie gern, vielleicht versuchst du auch einmal einen Löffel, wenn du schon
zu Besuch bist, hmm? Schildkrötensuppe mit einer Einlage von verschiedenen
Gemüsen und Kräutern, wie sie selbst hier im alten China eine Delikatesse für
Feinschmecker sind.« Ohne erst Larry Brents Antwort abzuwarten, zog der Zwerg
eine Schublade auf, nahm einen blitzblanken Löffel heraus und tauchte ihn in
den Topf. Er reichte den gefüllten Löffel herüber, und Larry mußte die Tür
aufstoßen, um dem kurzgeratenen Ärmchen entgegenzukommen. Er roch an dem
Löffel. Es duftete herrlich. Larry blies die Suppe kalt und versuchte sie dann.
Sie schmeckte noch besser als sie roch, und Burt, der Larry Brents Miene genau
beobachtete, wurde vor Stolz um zwei Zentimeter größer.
»Es schmeckt,
mein Junge, nicht wahr?« fragte er.
Larry gab den
Löffel zurück. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr. Er dachte
zunächst, daß es sich um Su Hang handele, denn er hörte die hübsche Chinesin
und Elvira nicht mehr wispern. Doch dann sah er, daß Su Hang neben Elvira auf
dem flauschigen Diwan hockte. Sie spähte aus dem Fenster, hatte den seidenen
Vorhang ein wenig zur Seite geschoben. Drüben, an ihrem Wohnwagen, bewegte sich
der Schatten eines Mannes. Larry fühlte den Luftzug auf seinem Gesicht. Die
Bewegung war schräg vor ihm, hinter dem Vorhang, der diesen Teil des Wagens von
der vorderen Hälfte abtrennte.
Der Store
bewegte sich. Außer Elvira, Su, Burt und Larry befand sich noch jemand im
Wagen.
Larry packte
blitzschnell zu und griff ins Leere. Er riß den Vorhang auseinander – und dann
weiteten sich seine Augen. Es war wirklich noch jemand im Wagen, er hatte sich
nicht getäuscht. Aber was er sah, ließ eine Gänsehaut über seinen Rücken
laufen. Larry Brent lernte das Gruseln!
●
Larry hatte
das Gefühl, als greife eine eiskalte Hand nach seinem Herzen.
Er stand
einer Frau gegenüber, einer Zigeunerin offensichtlich. Aber diese Frau hatte
keine Augen. Ihr fehlten die Pupillen! Das Weiß der Augäpfel war auf Larry
gerichtet, und dieser hatte das Gefühl, daß ihn ein unsichtbarer Blick
durchbohren würde.
Die
Augenlider der
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