023 - Der Satan schickt die Höllenbrut
Sie, Fremdling. Doch ich kann die Farbe Ihres Anzuges nicht
beschreiben, ich kenne keine Farben, ich habe sie nie in meinem Leben gesehen.
Ihr Anzug – es ist Ihr Anzug, der die Mörder anlockt. Sie richten sich nach
Ihrer Kleidung. Beschreiben Sie die Kleidung, die Sie jetzt tragen, Fremdling!«
Larry
antwortete: »Es ist ein hellbeiger Anzug.«
Esmeralda
schüttelte ihren grauen Haarschopf. »Es ist etwas Dunkles, Fremdling. Aber
jetzt – jetzt…« Ihr ganzer Körper spannte sich. Sie stand da, als hätte sie im
Boden Wurzeln geschlagen. Ihr ganzer Körper war plötzlich starr und steif. Die
weißen Augen leuchteten in der rötlich-düsteren Atmosphäre.
Dann löste
sich die Spannung. Esmeralda schien in sich zusammenzufallen. »Nichts«,
wisperte sie, »es ist nichts mehr. Alles weg! Die Visionen waren nicht stark
genug. Das Dunkel verbirgt das Geheimnis. Doch die Warnung bleibt, Fremdling.
Die Warnung vor den Mördern. Warum sind es so viele, warum kann ich es nicht
sagen – und was hat Ihre Kleidung damit zu tun? Achten Sie auf Ihre Kleidung,
Fremdling, mehr kann ich nicht für Sie tun. Ich weiß nicht, was auf Sie wartet,
ich kann nur Ihre Aufmerksamkeit schärfen. Das Unheil ist ganz nahe, ganz nahe
– ich fühle es.« Und mit diesen Worten wandte sie sich um. Mit
schlafwandlerischer Sicherheit schlurfte sie durch den kleinen Raum ohne
irgendwo anzustoßen. Sie faßte den schweren, dunkelroten Vorhang und zog ihn vor
die kleine Nische, in die sie sich zurückzog.
Larry und Su
Hang besprachen im Wagen der kleinen Chinesin wenig später noch einmal das
merkwürdige Verhalten der alten Esmeralda. Su warnte Larry davor, die Worte der
Greisin einfach auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie kamen jedoch davon ab,
als Larry das Gespräch in die Richtung lenkte, die ihm jetzt angebracht
erschien.
Während Su in
freimütiger Offenheit auf seine Fragen einging, durchsuchten sie den kleinen
Wohnwagen, und Su stellte fest, daß während ihrer Abwesenheit jemand hier
gewesen war.
»Sie haben
die Schubladen durchwühlt«, stieß sie hervor, während sie die Dinge wieder
richtig einordnete.
»Fehlt etwas?«
fragte Larry.
»Nein. Sie
haben Informationen gesucht, die aber konnten sie nicht finden. Ich mache mir
grundsätzlich keine Notizen. Wozu habe ich ein Gedächtnis?« Sie lächelte
leicht. Und Larry fand sie in diesem Augenblick so begehrenswert, daß er sie am
liebsten in die Arme geschlossen und geküßt hätte. »Der Bursche, der vorhin
hier herumgeschlichen ist, hat etwas gesucht, daran gibt es für mich keinen
Zweifel. Irgend jemand will irgend etwas wissen.
Dieses Wissen
aber können sie nur bekommen, wenn sie sich persönlich um mich kümmern, anders
geht das nicht, denn alles, alles…«, sie tippte an ihre Stirn, »alles ist hier
drin.«
Zehn Minuten
später ging Larry. Su Hang, die einen frischen Verband trug, stand auf der
obersten Stufe zu ihrem Wohnwagen.
»Passen Sie
auf sich auf, Mister Ferguson«, sagte sie, und sie betonte den falschen Namen
derart auffällig, daß Larry unwillkürlich zusammenzuckte.
Su Hang blieb
einige Minuten lang wie leblos auf der obersten Stufe stehen und hörte, wie
wenig später ein Wagen davonrauschte. Am Motorengeräusch erkannte sie, daß es
der Bentley war.
Sie zog die
Jacke über ihre nackten Schultern, schlug die Tür hinter sich zu, verschloß sie
und sprang leichtfüßig über die Pfütze hinweg. Sie bog um den roten Traktor,
der ihren Wagen vom Wagen der Riesendame Elvira trennte.
Leise pochte
sie an die Hintertür. »Esmeralda! Esmeralda!«
Die dumpfe
Stimme der greisen Zigeunerin erklang hinter dem geöffneten Fenster seitlich
der Tür. Vor dem Fenster war ein dunkelroter Vorhang gezogen. »Was ist? Was
willst du, Su?«
»Ich muß dich
sprechen, Esmeralda.«
Su Hang
blickte zu dem dunklen Fensterviereck hoch. Die Alte hatte kein Licht an, weil
sie keines brauchte. Es war stockfinster in ihrer Kammer.
»Dann komm!«
Sekunden
verstrichen. Dann drehte sich knirschend ein Schlüssel im Schloß. Die Tür
quietschte leise in den Angeln. Su Hang ging die Stufen hoch, zog die Tür
hinter sich ins Schloß. Die alte Zigeunerin mit den pupillenlosen Augen stand
vor ihr im Dunkel.
●
Kon Lun
befand sich in dem dunklen Zimmer. Lauschend legte er das Ohr an die Tür.
Draußen
herrschte Stille. Die Luft war rein. Der Chinese sah sich ein letztes Mal um.
Er hatte sämtliche Kleidungsstücke im Schrank eingesprüht. Er hatte eine sehr
hochprozentige
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