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023 - Reise ohne Wiederkehr

023 - Reise ohne Wiederkehr

Titel: 023 - Reise ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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selbiges auf allen anderen Gesichtern auf. Bei den zwei Brüdern mutierte es allerdings zu einem schwachsinnigen Grinsen.
    Cosimus setzte sich also an die Spitze der kleinen Gruppe und überwand den nächsten Hügel. Auf der Kuppe blieb er aber schon wieder stehen und deutete nach vorn. »Da, seht ihr das?!«
    Sie schlossen zu ihm auf und reckten die Hälse. Matt blickte auf eine Landschaft hinab, über der der Silberschein des Mondes lag. Noch konnte er nicht erkennen, was Cosimus meinte.
    »Dort hinten!« Der blondgelockte Mann wies mit glitzernden Augen voraus. »Ich glaube, dort steht ein hoher Turm!«
    »Hm. Könnte auch ein hoher Baum sein«, brummte Tuman.
    »Ich habe noch keinen einzigen Baum hier gesehen«, warf Matt ein. »Scheint, als würde es auf dieser Insel keine geben.«
    Tatsächlich sah es so aus, als rage dort drüben ein Bauwerk in die Höhe. Es wirkte recht klobig und schien von hohen Mauern umgeben. Doch der Nebeldunst behinderte die Sicht, sodass man nicht sicher sein konnte.
    Cosimus, von Entdeckerstolz getrieben, schritt wacker aus, und alle folgten ihm durch das Dunkel der Nacht, bis sie etwa hundert Meter weiter an eine Stelle kamen, an der ein hochgewachsener Strauch gespenstisch seine tote Zweige in die Luft reckte. Gleich darauf entdeckte Tuman die Kohle eines längst erkalteten Lagerfeuers. Der Sand hatte sie halb zugeweht. Als er die Rest untersuchte, stellte er mit angewiderter Miene fest, dass hier Dung anstelle von Holz verbrannt worden war. Tatsächlich schien Holz auf diesem Eiland Mangelware zu sein. Kurze Zeit später stieß Cosimus' Fuß auf einen harten Gegenstand: Die rostzerfressene Klinge eines Krummsäbels.
    Matts Nackenhaare richteten sich auf.
    Etwas unerklärlich Schauriges lag über diesem Ort, als gingen die Schatten einer blutigen Vergangenheit hier um. Ruley und die debilen Brüder drängten sich unwillkürlich aneinander.
    Sie waren etwa fünf Minuten gegangen, als Kuki mit einem Mal erschrocken aufkeuchte und die Laterne hob.
    Der Nebeldunst wich. Vor ihnen ragen die Mauern einer Ruine auf. Der Grundriss erinnerte Matt an eine alte Festung, doch es war zu wenig übrig geblieben, um den Zweck des Gebäudes noch zu bestimmen.
    Urplötzlich flatterte rechts von ihnen ein zerzauster Vogel von der Größe eines Adlers auf. Sein Schnabel war so lang und spitz wie der eines Storchs, und er floh mit durchdringendem Krächzen ins Dunkel. Sie gingen schweigend weiter.
    Nach der Hälfte des Weges zur Festung drang ein ekelhafter Hauch in ihre Nasen, den der Wind mit dem fauligen Dunst des Sumpfes heran wehte.
    Es war ein Geruch, wie er manchen Insekten dieser Zeit anhaftete.
    Matt lauschte aufmerksam in die Nacht hinein. Aus dem Dunkel kam ein Schlürfen und Schaben, das sich anhörte wie krabbelnde Krebse in einer Blechtonne.
    Dann standen sie vor der aus großen Quadern erbauten Festungsmauer. Matt schätzte die Breite der Front auf etwa siebzig Meter. An sämtlichen Ecken ragten etwa um drei Meter höhere Türmchen auf. In der Mauermitte gähnte ein gut fünf Meter breites, oben abgerundetes Tor. Es bestand aus Metall!
    Matt glaubte Buchstaben in der linken oberen Ecke zu entdecken und »BETH II« zu entziffern. Der Rost machte ein Erkennen schwierig.
    Hinter den Mauern stießen sie auf einen verwinkelten Gebäudekomplex, dessen Ecken ebenfalls mehrere Türme aufwiesen, die in ihrer Zwiebelform an den Kreml erinnerten. Auch hier war nirgends Holz zu entdecken, lediglich Fensterläden aus Leder oder leere Pferche aus dickeren Zeigen und Bastmatten.
    Zwischen der Gruppe und der gespenstischen Festung stieg aus zahlreichen Erdspalten bleicher Dunst auf. Auch hier standen einige der bizarr anmutenden Sträucher, die ihre Zweige in alle Richtungen streckten. Matt kamen sie wie vertrocknete Gummibäume vor.
    Er bezweifelte nicht, dass die Festung mehrere Jahrhunderte alt war, und fragte sich, ob sie schon existiert hatte, bevor die Insel aus dem Meer gestiegen war. Mochten so vielleicht die Bauten der Hydriten vor Äonen ausgesehen haben? Das Bauwerk wirkte auf ihn wie ein Überrest einer uralten Kultur. Das hätte auch das Fehlen von Holz erklärt.
    Der zwischen den Türmen schwebende Nebel ließ das Gemäuer wie eine Traumvision erscheinen. Je länger Matt ihn beobachtete, desto dichter schien er zu werden. Als wolle er alles einhüllen und ins Nichts reißen.
    »Wer mag wohl hier leben?«, fragte: Cosimus furchtsam. »Es wirkt wie ein Zauberschloss aus alten Geschichten…«

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