0230 - Heroin für Gangsterarme
ich. »Chease mag ein skrupelloser Gauner sein, wenn’s ums Geldverdienen geht. Er hat wenig Hemmungen, schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, solange er gut daran verdienen kann. Aber er ist nicht der Mann dafür, der einen G-man ermorden läßt. Auf der einen Seite ist er viel zu schlau, als daß er sich nicht sagen würde, daß wir ihn eines Tages überführen würden. Auf der anderen Seite fehlt ihm einfach das Format dazu.« Der Chef nickte zustimmend: »Gut. Wir sind uns also darin einig, daß für Phils Leben nichts zu fürchten ist, wenn Chease aus irgendeinem Grunde hinter dieser Entführung stecken sollte. Demnach gibt es für uns auch keinen zwingenden Grund, etwas zu überstürzen. Wenn er etwa nur das FBI ärgern will, können wir warten, bis er wieder da ist. Um einen Mann in Alaska zu finden, brauchen selbst tüchtige G-men viele Tage. In der Zwischenzeit kommt Chease von allein zurück. Ganz anders liegt dagegen der Fall, wenn Chease nichts damit zu tun hat. Die erste Möglichkeit lassen wir eine Woche ruhen, bis Chease wieder in New York ist. Die zweite müssen wir uns vornehmen. Gesetzt, daß Chease nichts damit zu tun hat, dann sind alle Möglichkeiten offen.«
»Aber selbst dann glaube ich nicht, daß man Phil umbringen wird«, sagte ich. »Das hätte man doch direkt vor dem Lokal viel schneller und bequemer haben können. Nein, Chef, die Burschen wollen irgend etwas anderes. Aber der Teufel mag wissen, was.«
»Wir wollen uns darüber nicht den Kopf zerbrechen«, meinte Mr. High. »Wir würden vermutlich doch nicht darauf kommen. Wir wollen uns lieber überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, Phil zu finden. Beschreiben Sie mir doch einmal das Haus!«
Ich stieß einen verächtlichen Laut aus. »Beschreiben! Chef, ich habe das Haus aus der Froschperspektive gesehen, denn die meiste Zeit lag ich auf dem Bauch und war mit den Schlägen beschäftigt, die mir ein ekelhafter Bursche verabreichte. Hinzu kommt, daß auf der Seite, wo wir waren, kein Licht brannte. Ich habe also das Haus nur als schwarzen Schattenriß gesehen.«
»Hatte es trotzdem nicht etwas Besonderes, was Ihnen im Gedächtnis haftengeblieben ist? Einen Turm? Einen seltsam geformten Giebel? Einen Erker? Irgend etwas Besonderes, was nicht jedes Haus hat?«
Ich schüttelte betrübt den Kopf.
»Nichts, Chef. Es war eine ganz gewöhnliche Giebelfront, dem Umriß nach.«
»Mit ein oder zwei oder mehr Stockwerken?«
»Ich glaube, es waren zwei Geschosse. Aber sicher bin ich nicht. Ich habe doch überhaupt nicht auf das Haus geachtet. Wenn man so verprügelt wird, interessiert man sich verdammt wenig für das Haus, das in der Nähe steht.«
»Das ist mir klar, Jerry. Ich mache Ihnen ja auch keinen Vorwurf.«
»Aber ich mache mir selbst Vorwürfe!« brach es aus mir heraus. »Wieso bin ich eigentlich davongelaufen? Warum habe ich dem Burschen, nachdem ich ihn kampfunfähig hatte, nicht die Pistole abgenommen und mir meine wiedergeholt? Er hatte sicher selbst auch eine Schußwaffe. Folglich hätte ich zwei Waffen gehabt! Damit hätte ich allerlei Wirbel anrichten können.«
»Sie hätten überhaupt nichts gekonnt!« sagte der Chef grob. »Das fehlt gerade noch, daß Sie sich jetzt Vorwürfe machen wollen, weil Sie nicht den größenwahnsinnigen Helden gespielt haben! Ich habe mir von unserem Arzt eingehend erzählen lassen, wie Sie aussahen, als man Sie letzte Nacht brachte. Sie hätten sich wahrscheinlich keine zehn Minuten auf den Füßen halten können! Ob W’affen oder nicht, ein Mann wird ohnmächtig, wird bewußtlos, wenn’s zuviel ist. Und sein Körper fragt dabei einen Dreck danach, ob er Schießeisen hat oder nicht. Schlagen Sie sich gefälligst diese dummen Gedanken aus dem Kopf!«
Er hatte recht. Aber trotzdem blieb ein kleiner Rest, aus dem mir ein Vorwurf aufstieg gegen mich selbst. Vielleicht wäre ich eben doch lange genug auf den Beinen geblieben, daß ich Phil hätte befreien können. Wenn er überhaupt in diesem Hause war…
»Sie werden Nachrichten an alle unsere Spitzel und Verbindungsleute hinausgehen lassen«, sagte der Chef sehr bestimmt. »Vielleicht hat der eine oder der andere etwas gehört. Außerdem werden Sie sich selbst in Unterweltskreisen ein wenig nach diesen sechs großen, schweren Burschen umhören. Wie Sie das machen, wissen Sie besser als ich. Erstatten Sie mir Bericht, sobald Sie etwas gefunden haben! In dem Augenblick, in dem Sie eine halbwegs verheißungsvolle Spur
Weitere Kostenlose Bücher