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0232 - Die Melodie der Tommy-Gun

0232 - Die Melodie der Tommy-Gun

Titel: 0232 - Die Melodie der Tommy-Gun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Melodie der Tommy-Gun
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Duncan, wenn Sie einmal fünf Minuten lang vernünftig wären! Die Sache sieht doch gar nicht so furchtbar für Sie aus! Wir haben natürlich Nachforschungen über Ihren Leumund anstellen lassen. Alles, was wir über Sie hörten, spricht nur zu Ihren Gunsten. Warum wollen Sie nicht zugeben, dass Sie mit Weißfeld befreundet waren oder verlobt, dass er diese Aufnahmen machte und Sie jetzt damit zu erpressen suchte? Sie wollen einen Polizisten heiraten, Sie fürchteten einen Skandal, vielleicht sogar, dass Sie die Liebe Ihres Verlobten verlieren würden, also erschossen Sie Weißfeld. Wenn Sie uns die Einzelheiten dieser Auseinandersetzung mit Weißfeld endlich genau und gründlich schildern - ich bin ziemlich überzeugt, dass wir eine Reihe von Punkten finden, die für Sie sprechen und auch vom Gericht durchaus zu Ihren Gunsten gewertet werden! Wahrscheinlich hat Weißfeld neue Drohungen oder Forderungen geäußert, vielleicht wurde er gar zudringlich, vielleicht - vielleicht war es sogar ein Augenblick vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit, als Sie schossen! Kein amerikanisches Gericht wird Sie bei der eindeutigen Sachlage der Erpressung zum Tode verurteilen oder etwa gar zu lebenslänglich! Sagen Sie endlich die Wahrheit, Miss Duncan! Wir wollen Ihnen doch nur helfen! Sie müssen verstehen, dass die Polizei nicht Tatsachen übersehen kann. Die Tatsachen sind sehr überzeugend.«
    Page hatte sehr eindringlich gesprochen. Hilda stand auf. Sie war sehr blass, und sie musste sich auf die Schreibtischkante stützen, um nicht zusammenzubrechen.
    »Es tut mir Leid, Leutnant«, sagte sie. »Es tut mir furchtbar Leid, aber, bitte, lassen Sie mich in die Zelle zurückbringen. Es hat keinen Zweck. Ich kann nichts gestehen, was ich nicht getan habe. Und ich habe Weißfeld nicht ermordet. Ich war es nicht. Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist. Ich war es nicht. Und ich kann jetzt nicht mehr. Ich kann einfach nicht…«
    Page seufzte. Er sah den Sergeanten an. Morgan zuckte unentschieden die Achseln. Nach einem kurzen Nachdenken sagte Page:
    »Tut mir Leid, Miss Duncan, Sie müssen sich noch einmal setzen. Ich habe Ihnen noch eine sehr ernste Mitteilung zu machen. Es betrifft Ihren Verlobten, Johnny Palschewski…«
    Hildas Augen wurden groß. Ihr Gesicht verlor jede Farbe. Es wirkte wächsern wie das Antlitz einer Toten. Sie hob die linke Hand und presste sie in einer rührend hilflosen Geste aufs Herz.
    Natürlich! Schoss es ihr durch den Kopf. Sie haben es ihm erzählt. So wie sie es sehen. So verlogen wie das alles ist. So haben sie es ihm erzählt. Jetzt werden sie mir sagen, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Oh, Johnny, wie kannst du mich so verraten? Johnny, warum kommst du nicht zu mir und hilfst mir? Ich habe doch nur dich!
    »Bitte, Miss Duncan«, sagte Page. »Setzen Sie sich.«
    Kraftlos ließ sich Hilda auf den Stuhl zurückfallen. Ihr Kopf hing leicht nach vorn, als ob sie nicht mehr die Kraft hätte, das Gewicht ihres Kopfes aufrecht zu halten. Ihre Hände lagen offen in ihrem Schoß. Die Finger waren leicht nach innen gekrümmt.
    Leutnant Page stand auf und ging zum Fenster. Lange Zeit sah er schweigend hinaus. Dann räusperte er sich plötzlich. Es klang, als müsse er sich selbst zwingen, endlich das auszusprechen, was er schon lange hätte sagen sollen.
    »Miss Duncan«, sagte er, und zum ersten Male klang seine Stimme, menschlich warm und voller Teilnahme. »Ich muss Ihnen leider sagen, dass Johnny Palschewski gestern Nachmittag von einem noch nicht ermittelten Täter erschossen worden ist. Johnny Palschewski ist tot… Es tut mir furchtbar Leid, dass ich Ihnen das sagen muss.«
    Bei den letzten Worten hatte er sich umgedreht und war auf Hilda zugegangen. Das Mädchen hatte die Stirn gerunzelt und die Lider ein wenig zusammengezogen. Es sah aus, als müsste sie über Pages Worte erst nachdenken, als habe sie den Sinn des Gesagten noch gar nicht richtig erfasst.
    Plötzlich aber veränderte sich ihr Gesicht. Ihre Hände fuhren in einer jähen Geste empor. Ihre Augen weiteten sich. Und dann gellte ein Schrei von ihren Lippen, wie ihn Leutnant Page noch nie in seinem Leben gehört hatte. Es war ein Schrei aus der letzten, unbeschreiblichen Not. Page fühlte, wie ihm dieser furchtbare Laut wie ein greifbarer Schmerz durch die Brust zuckte.
    ***
    Peter John Drysen hatte jenes Aussehen, das keine genaue Altersbestimmung zuließ. Er konnte ebenso gut achtundzwanzig wie achtunddreißig Jahre

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