Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0232 - Die Melodie der Tommy-Gun

0232 - Die Melodie der Tommy-Gun

Titel: 0232 - Die Melodie der Tommy-Gun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Melodie der Tommy-Gun
Vom Netzwerk:
automatischen Elektroherd bewundern. Rechts von dem Herd stand John Drysen an einem Ausguss. Er hatte sich eine niedliche blaue Schürze vor den Bauch gebunden und schälte Kartoffeln. Das war der erste Gangster, den ich bei einer solchen Beschäftigung sah.
    Ich lehnte mich gegen den Türrahmen, stippte mit dem Zeigefinger den Hut aus der Stirn und sagte gemütlich: »Schälen Sie für mich ein paar Kartoffeln mit, Drysen. Ich bleibe gern zum Essen in einem so gastlichen Haus.«
    Drysen fuhr herum, als hätte ihm jemand die glühende Schnellkochplatte zwischen Hemd und Hals rutschen lassen.
    »Sie?«, rief er überrascht aus.
    »Nein«, erwiderte ich, »mein Zwillingsbruder.«
    Er stutzte. Ich sah, wie sich seine Augen verengten. Er ließ die Kartoffel, die er gerade in der Hand hielt, zurück in die Schüssel fallen, dass es platschte. Beinahe genießerisch ließ er die scharfe Klinge des abgenutzten Küchenmessers über seinen Daumennagel gleiten.
    »Haben Sie einen besonderen Anlass für Ihren Besuch, G-man?«
    Er kam langsam auf mich zu. Ich blieb in der Türöffnung stehen und sah ihm freundlich entgegen. Er plante etwas, so viel stand fest.
    Als er noch höchstens zwei Schritte von mir entfernt war, nahm er das Messer so in die Hand, dass die Klinge nach oben zeigte. Er musste also den Stoß von unten her ausführen, wenn er mich wirklich mit dem Messer angreifen wollte.
    »Haben Sie keine Lust zu einem Spaziergang?«, fragte ich. »Ich würde Ihnen gern mal das unterirdische Manhattan zeigen. Vor allem die Abwässerkanäle.«
    »Sie sind heute sehr witzig, wie?«, keifte er. »Aber mir ist nicht nach Witzen zumute.«
    »Man wird Sie in den nächsten Jahren bestimmt nicht danach fragen, wie Ihnen gerade zumute ist. Ich habe gehört, dass die Bedienung im Zuchthaus zu wünschen übrig lässt.«
    »Hatten Sie«, brummte Drysen, »die Absicht, ins Zuchthaus zu gehen, G-man?«
    »Ja, denn ich muss Sie dort abliefem. Ich habe einen Durchsuchungs- und Verhaftungsbefehl.«
    »Ihre Witze gefallen mir immer weniger, Cotton! Sie fangen an, Frechheit mit Humor zu verwechseln.«
    »Immer noch besser frech, als ein Gangster zu sein«, erwiderte ich trocken.
    Drysens Hand zuckte hoch. Das Messer blitzte im Sonnenschein. Ich sprang zur Seite, rutschte aber auf einer Kartoffelschale aus und geriet ins Stolpern. Drysen nutzte seine große Chance und hämmerte mir gegen die rechten kurzen Rippen. Für die Dauer von vielleicht einer Viertelminute sah ich Sterne.
    Drysen stieß mir die Fußspitze in die Seite. Ich schnellte mich unter den viereckigen Küchentisch, der nicht weit von mir stand. Plötzlich spürte ich einen sengend heißen, alles überflutenden Schmerz, der von meiner linken Wade ausging.
    Ich warf mich herum und sah gerade noch, wie Drysen zum zweiten Male ausholte. Trotz der Schmerzen warf ich meine Beine hoch und trat meine Füße mit aller Wucht, die ich aus meiner Lage heraus aufbringen konnte, gegen seine rechte Hüfte. Er wurde fünf, sechs Schritte zurückgeschleudert und krachte mit dem Rücken gegen den riesigen Elektroherd, der mir gleich am Anfang aufgefallen war. Ein Topf stürzte scheppernd zu Boden, Wasser platschte herab, und auf dem Herd zischte es von hochsteigendem Wasserdampf. Drysen stieß ein unartikuliertes Gebrüll aus. Er musste sich verbrannt haben.
    Ich wollte mich aufrichten, aber ein krampfartiger Schmerz raste von meiner Wade her durch den ganzen Körper. Mein linkes Bein schien gelähmt zu sein, wenigstens aber war vor Schmerz nicht daran zu denken, es zu bewegen. Ich drehte mich ein wenig und streifte das Hosenbein hoch. Aus einer schmalen, aber offenbar tiefen Stichwunde strömte unaufhaltsam mein Blut. Ich suchte mein Taschentuch hervor und knotete es, so schnell ich konnte, um das Bein Gerade, als ich den zweiten Versuch unternahm, wieder auf die Beine zu kommen, hatte auch Drysen sich von seiner Verbrennung erholt und ging mit blutunterlaufenen Augen von Neuem auf mich los.
    Ich blieb breitbeinig auf dem Fußboden sitzen.
    »Stopp, Drysen«, sagte ich ruhig. »Meine Kugel wäre bestimmt schneller als Ihr Messer.«
    Er blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gerannt. In seiner rechten Hand hielt er noch immer das kurze,'scharfe Küchenmesser. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er mich wild an. Ich machte eine kleine Bewegung mit der Mündung meiner Pistole.
    »Lassen Sie das Messer fallen, Drysen«, sagte ich.
    Aber statt einfach die Finger zu spreizen, damit das

Weitere Kostenlose Bücher