0233 - Gejagt von den Dämonenschatten

weitere Niederlage wegzustecken.
    Nicole blickte in sein von den Strapazen gezeichnetes Gesicht - und wußte plötzlich, warum sie ihn liebte wie keinen anderen.
    Sie nickte stumm und sah ihm dabei in die Augen. »Wir schaffen es«, sagte sie fest.
    Er sagte nichts mehr, aber sie hatten einander verstanden.
    Zamorra wandte sich von Nicole ab und bewegte sich mit langsamen, energischen Schritten auf das Amulett zu.
    Doch er hatte es noch nicht erreicht, als er auf gespenstische Weise erfahren mußte, daß es sich nicht vor ihm beugen würde.
    Das magische Instrument zog ihn in seinen Bann!
    ***
    Er spürte, wie ihn Enttäuschung und Verzweiflung zu übermannen drohten. Sein Magen krampfte sich zusammen, sein Herz hämmerte gnadenlos.
    Hinter ihm wartete Nicole und ahnte nicht, was in ihm vorging - hörte nicht die Worte, die er hörte und sah nicht die Bilder, die er sah.
    Durch das Amulett!
    Irgendwo im hintersten Winkel seines Denkens wußte er, daß er nicht mehr Herr seiner selbst war in diesen Minuten. Doch sich dagegen aufzulehnen, war unmöglich.
    Das Amulett lenkte ihn, kaum daß er sich drei Schritte von Nicole fortbewegt hatte. Und sie ahnte nichts davon.
    Noch nicht.
    Erst als ihr der marionettenhafte Gang Zamorras bewußt wurde, als sie merkte, daß er sich fast zeitlupenhaft zögernd dem Amulett näherte, schöpfte sie Verdacht.
    »Liebling!« rief sie.
    Er reagierte nicht.
    Was er sah und hörte, war stärker als alles andere!
    Fast spielerisch schlich sich die Erkenntnis bei ihm ein, daß die Bilder und Worte, die seinen Verstand umnebelten, nicht wirklich aus Merlins Stern stammten, sondern diesen nur als Relaisstation nutzten. Die eigentlichen Impulse kamen aus einer anderen Quelle…
    Das Bild der Merlingestalt im Bernsteinblock tauchte vor Zamorra auf.
    Und wieder fühlte er die Kälte des Fremden, die Aura einer Macht, die ihn schaudern ließ, weil nichts an ihr vertraut war.
    Aber die Gestalt im Bernstein war
    Merlin, daran konnte kein ernsthafter Zweifel bestehen!
    Und doch blieben Zweifel.
    Zweifel, die nicht verhinderten, daß Zamorra in diesem Augenblick das am Boden liegende Amulett erreichte, mit dem etwas Unerwartetes geschah.
    Es erlosch.
    ***
    »Liebling!« rief Nicole zum zweiten Mal.
    Zamorra kam zu sich. Das Amulett vor ihm am Boden hatte ohne ersichtlichen äußeren Anlaß seine Neutralität zurückgewonnen und die Beeinflussung des Parapsychologen eingestellt.
    So zumindest sah es aus.
    Und so fühlte Zamorra. Er fühlte sich wieder frei, nicht mehr mißbraucht, wie noch kurz vorher!
    »Keine Panik!« rief er hinter sich, um Nicole zu beruhigen.
    Er drehte sich dabei allerdings nicht um, weil er das Amulett nicht aus den Augen verlieren wollte.
    Er traute dem plötzlichen Frieden nicht.
    Er traute überhaupt keiner Sache mehr!
    »Keine Panik… Du hast leicht reden«, meldete sich die Französin. »Was war denn eben wieder los mit dir? Den stelzigen Gang müßte ich doch kennen, wenn er dir angeboren wäre…«
    Zamorra schwieg zerknirscht.
    Er bückte sich.
    Seine Hand stoppte er kurz über der silbrig blinkenden Oberfläche des Amuletts, weil er noch zögerte, es anzufassen. Die Erinnerung an das Erlittene war zu frisch.
    Merlins Stern wirkte jetzt wieder wie ein toter Gegenstand, ohne jegliches rätselhafte Eigenleben. Seine Oberfläche reflektierte nur noch jenes Licht, das auf sie fiel, erzeugte aber kein eigenes Leuchten mehr.
    Zamorra wartete ein paar Sekunden. Als diese ereignislos verstrichen, berührte er sein Amulett vorsichtig mit den Fingerkuppen…
    Nichts.
    Nichts passierte.
    Metallische Kühle war alles, was er spürte. Und das war normal.
    Zamorra hob das Amulett auf. Hinter sich hörte er einen Seufzer der Erleichterung aus Nicoles Mund.
    Das dünne Silberkettchen des Amuletts war unbeschädigt. Zamorra streifte es behutsam über den Kopf und war eigenartig berührt, als das magische Instrument endlich wieder an dem ihm zugedachten Platz hing.
    Gedankenverloren kehrte er zu Nicole zurück.
    »Alles okay?« fragte sie.
    »Ja«, log er.
    ***
    Ein Loch in der Wirklichkeit, hatte der junge Sergeant gesagt. Daß diese Interpretation reichlich übertrieben war, sah Kerr, als er die Stelle hinter dem Haus erreichte. Sie war bereits von eifrigen Beamten abgesteckt und ausgemessen worden. Die Form war auch nicht kreisrund, sondern eher oval und maß an ihrer längsten Ausdehnung rund zwanzig Meter. Breit hingegen war sie »nur« zirka fünfzehn Meter.
    Relative Werte.
    Kerr