0234 - Der Boß kennt kein Erbarmen
bedächtig.
»Sicher«, sagte er. »Alles nur eine Frage des Geldes.«
»Wie viel brauchen Sie?«
John nannte die Summe, und Mackinson wies die Sekretärin an, diesen Betrag John auszuhändigen. Es war morgens um halb neun, als sich Mackinson zu Bett begab. Es war die letzte ruhige Nacht - wie er die Stunden seines Schlafes ohne Rücksicht auf die wirkliche Tageszeit nannte -, die letzte ruhige Nacht also, die ihm noch blieb.
***
»Los, rein!«, sagte der erste Polizist. »Bisschen Tempo!«
Faloire kletterte in den Wagen. Einer der beiden Polizisten folgte ihm nach. Der zweite setzte sich ans Steuer, drehte den Zündschlüssel und fuhr an.
Faloire verhielt sich zunächst reglos auf seinem Sitz.
Faloire hob die Hand, weil er sich den kalten Angstschweiß von der Stirn wischen wollte. Er hatte in diesem Augenblick tatsächlich keine gefährliche Absicht. Er war selbst erschrocken, als er plötzlich den harten Druck in seiner Seite spürte.
»Rühr dich ja nicht, mein Junge«, sagte der Polizist neben ihm.
Faloire fuhr zusammen. Erschrocken starrte er auf die Pistole, die ihm der Polizist in die Seite drückte. An dem kleinen roten Pünktchen, das auf dem oberen Ende des Kolbens sichtbar war, erkannte er nur zu deutlich, dass die Waffe entsichert war. Ein kleiner Druck genügte, um ihm das Geschoss in die Seite zu jagen.
»Ich«, stieß er heiser hervor, »ich wollte mir nur den Schweiß abwischen.«
Der Polizist stutzte. Sein Blick tastete prüfend über Faloires Stirn. Dann schüttelte er den Kopf.
»Lieber nicht«, sagte er. »Bleib ruhig, das bisschen Schweiß bringt dich nicht um.«
»Bitte«, krächzte Faloire heiser, »bitte, ich - ich habe ein Vermögen bei mir! In meinen Taschen! Ich weiß nicht, wie viel der Kram wert ist, aber sicher hunderttausend oder gar noch mehr! Sie können es haben! Alles! Nur lassen Sie mich laufen! Ich schwöre Ihnen, ich werde nie wieder einem Menschen etwas zuleide tun! Ich schwör’s! Lassen Sie mich laufen! Sie können alles haben! Alles! Bitte!«
Seine Stimme gehorchte ihm nicht mehr. Sie glitt in schrille Höhen und fiel gleich darauf krächzend zu einem dunklen Gebrumm ab, und beides lag außerhalb der Kontrolle durch seinen Willen.
»Waschlappen«, sagte der Polizist, der vorn am Steuer saß. »Mann, was bist du bloß für ein Waschlappen!«
Faloire schluckte. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Lippen, Zunge, Gaumen, die ganze Rachenhöhle - alles war trocken und pelzig. Er hatte auf einmal einen brennenden Durst.
Auf einmal hielt das Auto an. Der Polizist vom stieg aus.-Er öffnete die Tür auf Faloires Seite.
»Komm heraus!«, sagte er.
Der Gangster zögerte einen Augenblick. Dann rammte er seinen Kopf vor, während er sich mit seinem ganzen Körpergewicht in den Stoß hineinwarf. Aber der Polizist musste damit gerechnet haben. Oder er war unglaublich schnell in seinem Reaktionsvermögen.
Faloire spürte nur, dass er einen harten Schlag in sein Genick bekam. Er stürzte mit dem Gesicht zuerst auf die Straße. Der Schmerz schoss ihm rot glühend bis hinauf ins Gehirn. Er stöhnte. Kräftige Fäuste rissen ihn hoch. Nur undeutlich hörte er, wie der Polizist sagte:
»Versuch so was nicht noch einmal!«
Halbblind vor Schmerzen ließ er sich vom Auto weg- und auf ein Haus zuschleppen, das er nur verschwommen wahrnehmen konnte. Man führte ihn durch ein paar Zimmer, bis man ihn schließlich in einen Sessel stieß. Faloire suchte nach seinem Taschentuch. Bevor er in das Auto der Polizisten hatte klettern müssen, hatten sie ihn abgeklopft und ihm die Pistole abgenommen. Als er jetzt in seine Taschen fasste, fühlte er nur die Umrisse der Schmuckgegenstände. Erst nach langem Wühlen fand er sein Taschentuch.
Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Allmählich kehrte seine Sehfähigkeit zurück. Zunächst ohne wirkliches Interesse sah er sich um. Als ihm bewusst wurde, dass er nicht in einem kahlen Polizeibüro, sondern in einem sehr anspruchsvoll eingerichteten Wohnzimmer war, erwachte seine Neugierde. Wohin hatte man ihn gebracht? Was sollte das?
Er bemerkte den Rollstuhl, der in einer Ecke des Zimmers stand. Durch das Fenster daneben brach das trübe Licht der Morgendämmerung grau und zwielichtig herein. Im Rollstuhl waren zwei Füße zu erkennen, über die eine dicke Wolldecke nach oben hin die Beine verdeckte. Vom Oberkörper des Mannes und von seinem Gesicht war nichts zu sehen. Es lag im düsteren Grau des Schattens.
»Guten
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