0235 - Disco-Vampir
einer verführerisch anmutenden Frau blicke Anny Polat entgegen. Die Hexe stieß einen erstickten Schrei aus. So hatte sie ausgesehen, als sie gerade ihren zwanzigsten Geburtstag feierte.
»Deine Jugend!« hörte sie wie von Feme die Stimme des Asmodis. »Ich gebe sie dir zurück. Und wenn du deinen Auftrag zu unserer Zufriedenheit erledigst, wird dir deine Schönheit erhalten bleiben bis zu dem Tag, da es dir bestimmt ist, im Reich der Tiefe die Ewigkeit abzuwarten. Versagst du… nun, ich mag keine Versager! Mach dich an diesen Heinleyn heran. Sorge dafür, daß er ein richtiger Vampir wird. Ein Geschöpf der Nacht. Und wenn er allen deinen Künsten widersteht… dann vernichte ihn! «
In einer aufsteigenden Feuerflamme versank Asmodis. Nur häßlicher Schwefelgestank blieb in der Wohnung der Hexe zurück.
»Ja, großer Meister!« rief Anny Polat. »Ich will deinen Willen tun. Dieser Heinleyn wird ein richtiger Vampir… !«
***
»… wenn wir dann schon mal in Trier sind, können wir auch das Jahrhundertereignis abwarten!« bestimmte Nicole Duval, während sich der silbergraue Opel-Senator der luxemburgischen Grenze näherte.
»Ein Jahrhundertereignis?« fragte Professor Zamorra befremdet. Denn er hatte geistig schon eine genaue Besichtigung aller römischen Bauwerke terminiert.
»Na, die Eröffnung der neuen Super-Disco, um die überall so ein großer Wirbel gemacht wird!« klärte Nicole Duval auf. »Aber du, Cheri, hast dich ja die letzte Zeit so in Arbeit vergraben, daß du gar nicht mehr weißt, was in der Welt los ist!«
»Disco! - Immer nur Disco!« brummte Zamorra. »Muß es denn immer so ein lauter Preßluftschuppen sein, wo die ganze Nacht der Tango-Diesel mit voller Phon-Zahl läuft?«
»Aber die Eröffnung soll eine gigantische Fete werden!« erklärte Nicole.
»Warum sollen wir nach allem, was hinter uns liegt, nicht mal wieder richtig feiern!«
»Wenn du das so siehst… und wenn es dir Freude macht… na gut!« kämpfte Zamorra mit sich.
»Eine Entscheidung, die ich nicht anders erwartet hatte!« sagte Nicole selbstbewußt. »Ich muß jetzt nur noch sehen, daß ich was Richtiges zum Anziehen finde. Bei so einem gesellschaftlichen Ereignis muß man nämlich besonders modisch aktuell sein, mein Schatz!«
»Aber du hast doch die Früchte deiner letzten Einkaufsorgie in Paris so im Kofferraum verstaut, daß mein kleines Reiseköfferchen kaum Platz gefunden hat!« beschwerte sich Zamorra. »Und Paris ist der Mode doch immer einen Schritt voraus… !«
»Ja, aber wenn so eine Disco wie das ›Transgalaxis‹ eröffnet wird, dann muß ich was ganz Ausgeflipptes anhaben!« erklärte Nicole. »Ich muß in Trier erst mal beobachten, was so derzeit auf der Szene los ist.«
»Aber ohne mich!« bestimmte Zamorra. »Ein Abend in der Nähe von ohrenbetäubenden Lautsprecherboxen reicht mir… !«
»Dann bleib zu Hause und lies die Zeitung, Großväterchen!« lachte die hübsche Französin girrend. »Ich gehe jedenfalls auf die Rolle…«
***
Tobias Fürchtegott Heinleyn war zwar sprichwörtlich von gestern. Aber Analphabet war er nicht. Und so hatte er im Stadtkern von Trier das »Odeon« sehr schnell gefunden. Grelle Leuchtreklame schrieb dieses Wort in sporadischen Abständen an eine dunkle Wand.
Wie das alles zustande kam, darüber wollte der wiedererwachte Schneidergeselle aus der guten alten Zeit nicht nachdenken.
Er mußte sich in dieser neuen Welt nur irgendwie orientieren.
Diese Regina Stubbe. Die würde ihm sicher helfen. Er mußte sie unbedingt wiederfinden. Und hatte sie nicht gesagt, daß sie ins »Odeon« wollte? Was immer das war, was sie als Discothek bezeichnete. Da mußte er hin. Und Regina Wiedersehen.
Wie samtweich die Haut ihrer Hände gewesen war. Und wie das Blut in ihren Adern pulsierte…
***
»Guck mal, Jorgi! Der Graf von Monte Christo!« Kalle, der sich vor dem Eingang zum »Odeon« aufgebaut hatte und darauf achtete, daß nicht nur das Geld für den Eintritt mit Freigetränk bezahlt wurde, sondern auch eine Art Gesichtskontrolle durchführte, stieß seinen Freund an. Beide ähnelten von der Statur her afrikanischen Gorillas, hielten wenig von geregelter Arbeit und paßten hier für einige Freigetränke und ein paar Mark jede Nacht auf, daß sich hier nicht Popper, Punker und Rocker diverse Schlachten lieferten. Zwar war das »Odeon« eigentlich der Treffpunkt des Völkchens mit dem Modefimmel, aber ab und zu sahen doch mal andere Typen rein.
Aber eine solche
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