0239 - Der Höllenwurm
sondern irregeleitete Menschen, die jetzt den Halbkreis einfach aufbrachen.
Das geschah sehr schnell. Wir kamen nicht dazu, uns darauf groß einzustellen, sondern mußten es hinnehmen. Die Anzahl war schlecht zu schätzen. Vielleicht 20 oder 30, die nichts mehr bei den anderen hielt. Sie wurden zu einem Pulk, der vorstürmte, uns passierte und sich in unserem Rücken wieder aufbaute.
Was wir hatten verhindern wollen, war nun eingetreten. Wir waren eingekreist.
Dann die ersten Stimmen. Kichernd, höhnisch, gleichzeitig wispernd. Die sich bewegenden Flammen verwandelten die Gestalten in dämonische Wesen mit verzerrten Gesichtern. Sie rochen nach Tod und Vernichtung und waren beseelt von dem schrecklichen Geist des Dämons Belphégor. Die ersten huschten uns entgegen. Es waren die, die sich aus dem Pulk gelöst hatten und uns den Rückweg abschnitten.
Sie schrien, als sie sprangen.
Körper wuchteten sich uns entgegen. Flammenpeitschen wurden geschwungen, fauchten uns entgegen wie feurige Schlangen und tasteten zitternd nach unseren Körpern. Ich hielt ihnen mein Kreuz entgegen. Wie Tentakel wollten die Flammen nach mir greifen, doch da hatte das geweihte Kruzifix bereits einen magischen Schirm aufgebaut. Wenn die Flammenzungen zu nahe kamen, zischten sie auf und verlöschten, als hätte jemand Wasser darüber gegossen.
Die Menschen, die geschlagen hatten, standen für einen Moment starr. Ich schaute in ihre weit aufgerissenen Augen und rannte los.
Mit der Wucht einer Ramme brach ich über sie herein, schleuderte sie zur Seite und hörte hinter mir ein gewaltiges Gebrüll. Suko.
Mein Partner kämpfte wie ein Berserker. Er warf sich den Leibern entgegen. Dabei arbeitete er nicht nur mit den Fäusten, sondern meist mit den Füßen. Vier, fünf Gestalten schmetterte er zu Boden, die aufprallten und sich überschlugen. Es wurde ein harter Kampf.
Dann hörte ich Suko schreien. Er rief meinen Namen, denn einem Gegner war es gelungen, sich von hinten auf ihn zu werfen. Suko fiel zu Boden, und gleich zwei wollten mit ihren flammenden Peitschen zuschlagen, um den Inspektor zu vernichten.
Im Hechtsprung flog ich heran.
Meine Arme waren ausgebreitet, und es gelang mir, die beiden Männer zu packen. Links und rechts fühlte ich den Widerstand unter meinen Händen, dann riß ich die Kerle einfach von den Beinen.
Als sie zu Boden knallten, hörte ich ihr Wutgebrüll. Mit der rechten Hand und damit auch mit dem Kreuz schlug ich zu. Ich erwischte einen Gegner an der Schläfe. Als ich mich ein wenig nach rechts rollte, da sah ich, wie er bewußtlos dalag. So etwas war mir auch noch nicht passiert. Mit dem Kruzifix hatte ich einen Gegner bewußtlos geschlagen. Diese Auseinandersetzung hatte höchstens zwei, drei Sekunden gedauert.
Suko hatte sich dadurch befreien können und schwang sich auf die Füße.
Auch ich kämpfte mich hoch, aber ich hörte schon wieder das widerliche Gebrüll.
Die meisten Dämonendiener hatten bemerkt, wie Suko und ich mit den Leuten fertig geworden waren. Das konnten sie nicht durchgehen lassen. Sie hatten den Befehl, uns zu töten, und den wollten sie auf jeden Fall einhalten. Die Masse stürmte vor. Jetzt war sie zu einem Mob geworden.
Sturmartig brandete uns das Gebrüll entgegen, ein regelrechtes Inferno, das direkt aus der Hölle zu stammen schien.
Wir konnten uns gegenseitig akustisch nicht mehr verständigen, doch Suko deutete auf einen Pfeiler. Er war ungemein wuchtig, wesentlich breiter als ein Haus. Das Stahlgestänge bildete ein Muster. Wenn wir den Pfeiler erreichten, bevor der Mob uns wieder einkreiste, hatten wir eine Atempause, die wir eventuell für eine weitere Flucht nutzen konnten. Da geschah etwas anderes.
So laut die Schreie der Menschenmassen auch waren, das dröhnende Geräusch eines heranfliegenden Hubschraubers übertönte auch dies. Die Rettung?
Suko war stehengeblieben und herumgezuckt. Wie auch ich schaute er schräg nach oben und sah einen gewaltigen Schatten über die Leiber der Menschen gleiten. Der Hubschrauber war in der Kanzel und außen beleuchtet. Zwei Personen befanden sich im Helikopter, doch der Platz in der Maschine reichte auch für vier.
Und wir sahen noch etwas. Eine Strickleiter, die durch den offenen Einstieg nach unten fiel und auseinanderlappte. »Dahin!« brüllte ich mit überschlagender Stimme und zögerte keine Sekunde…
***
Tanith war geschockt, entsetzt und fasziniert zugleich. So etwas hatte sie noch nie in ihrer Kugel gesehen. Diese
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