024 - Die Rattenkönigin
überschlagender Stimme: »Wie kommen Sie dazu, solchen Unsinn zu reden? Hätte ich mich denn mit diesem abscheulichen Monstrum liieren sollen? Mir wird schon schlecht, wenn ich mich nur erinnere …« Er schüttelte sich angeekelt.
»Würden Sie helfen, Hunderten von Menschen das Leben zu retten, wenn Sie dazu in der Lage wären?« fragte Dorian.
»Was hat das schon wieder zu bedeuten?« wollte Anselm wissen.
»Es stünde in Ihrer Macht, diese Menschen zu retten«, erklärte Dorian. »Sie müßten nur Jenny aufsuchen und sie bitten, die Ratten in ihre Löcher zurückzupfeifen. Ich bin sicher, daß Jenny Ihnen diesen Wunsch erfüllt, wenn sie glaubt, daß Sie ihre Liebe erwidern.«
»Ich soll …« Anselm wich entsetzt zurück. »Das können Sie nicht von mir verlangen!« Er würgte. »Ich kann dieses Scheusal doch nicht lieben! Allein ihr Anblick verursacht mir schon Übelkeit.«
»Sie sollen doch nur Liebe vortäuschen«, sagte Dorian. »Ich würde dieses Opfer nie von Ihnen verlangen, wenn nicht das Leben so vieler unschuldiger Menschen auf dem Spiele stünde.«
»Nein, nein, nein!« schrie Anselm. Er krümmte sich plötzlich. »Mir wird schlecht! Bitte!«
Marvin Cohen trat zu ihm. »Komm, ich bringe dich auf die Toilette.«
Marvin Cohen verschwand mit ihm in der Diele. Als sie allein waren und Anselm sich der Toilette zuwenden wollte, trieb ihn Cohen zum Ausgang. »Hier geht's lang!«
»Aber da draußen sind die Ratten!« begehrte Anselm auf.
»Eben«, sagte Cohen brutal und hatte plötzlich seine Pistole in der Hand. Er drückte sie Anselm an die Schläfe. »Wenn du nicht tust, was ich sage, dann puste ich dir das Gehirn aus dem Schädel.«
Cohen öffnete die Tür und stieß Anselm hinaus. Dieser taumelte schreiend die Stufen hinunter und fiel mitten in das Rudel der Ratten.
Dorian, durch die Geräusche aufgeschreckt, kam in die Diele gestürzt. Es war aber bereits zu spät zum Eingreifen. Als er einen Fuß vor die Tür setzte, gingen die Ratten sofort zum Angriff über.
»So, jetzt bekommt Ratten-Jenny ihren Liebhaber«, sagte Cohen, und als er Dorians wütenden Gesichtsausdruck sah, meinte er: »Du hast es doch ebenfalls gewollt.«
»Aber nicht auf diese Weise. Nicht mit Gewalt.«
Sie mußten hilflos zusehen, wie die Ratten Anselm mit vereinten Kräften zu einem Gebüsch zerrten und in einem großen Loch mit ihm verschwanden.
Die Ratten zogen sich von der Oberfläche zurück. Der Dämonenkiller und seine Gefährten beobachteten es vom Fenster aus. Donald Chapman wagte sich sogar aufs Fensterbrett.
»Wenn wir in London sind, spende ich in der Westminster Abbey eine Kerze für Anselm«, sagte Cohen. »Da Jenny wieder ihren Liebhaber hat, pfeift sie die Ratten zurück.«
»Laß diese geschmacklosen Witze!« verlangte Coco.
Aber nicht nur von van Riems' Anwesen zogen sich die Ratten zurück. Dorian setzte sich über Sprechfunk mit Kommissar Rejnbrink in Verbindung und erfuhr, daß die Ratten so schnell von der Oberfläche verschwanden, wie sie gekommen waren. Nun konnte die Evakuierung weitergehen. Und danach konnte die Ausrottung der Ratten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beginnen. In spätestens einer Stunde würde es soweit sein. Kommissar Rejnbrink wollte den Hubschrauber schicken, der Dorian und seine Gefährten abholen sollte.
Doch davon wollte der Dämonenkiller nichts wissen. Er sagte Rejnbrink, daß die Ratten Anselm entführt hätten und er nichts unversucht lassen würde, ihn zu retten; daß eigentlich Marvin Cohen an Anselms Entführung schuld war, verschwieg er. Aber er fühlte sich moralisch dazu verpflichtet, einen Rettungsversuch zu unternehmen. Nachdem er die Verbindung abgebrochen hatte, wandte sich Dorian an Donald Chapman. »Don, du warst doch in Jennys Unterschlupf. Würdest du ihn wiederfinden?«
»Du meinst, ich soll euch hinführen?« der Puppenmann schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich hielt mich in Anselms Manteltasche versteckt. Als ich daraus auftauchte, befanden wir uns bereits wieder an der Oberfläche. Aber selbst wenn ich mich nicht versteckt hätte, würde ich mich in dem Labyrinth kaum zurechtfinden. Denk daran, daß sich das Höhlensystem unter ganz Borvedam erstreckt! Wir würden uns hoffnungslos verirren.«
»Ich fürchte, Anselm ist verloren«, meinte Coco und warf Marvin einen vorwurfsvollen Blick zu.
Den berührte das nicht. »Um den Feigling ist es doch nicht schade. Ihr solltet euch mehr Gedanken um den Goldenen Drudenfuß machen.
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