024 - Die Rattenkönigin
ihr blitzschnell den Drudenfuß über den Kopf. Sie wollte ihn abstreifen, doch die magische Kraft des Pentagramms aus Alchimistengold lähmte ihre Kraft. Und da ging auch schon die Veränderung mit dem Goldenen Drudenfuß vor sich. Er wurde rasend schnell kleiner – und entsprechend kleiner wurde auch die Öffnung zwischen den Sternschenkeln. Die Schenkel drückten den Hals der Rattenkönigin zusammen, nahmen ihr den Atem. Und der Drudenfuß wurde noch kleiner, schrumpfte zusammen, schnitt mit seinen Schenkeln in Ratten-Jennys Hals – immer tiefer.
Plötzlich wackelte ihr Kopf, ein Blutstrom ergoß sich aus der Wunde. Der Kopf fiel ab, rollte zwischen die Ratten, die zu völliger Bewegungslosigkeit erstarrt waren.
Dorian nahm den Goldenen Drudenfuß wieder an sich, der keinen Blutspritzer aufwies und nun so klein war, daß man ihn leicht unter dem Jackett verstecken konnte.
»Nichts wie fort von hier!« befahl er seinen Kameraden und faßte den völlig verstörten und apathischen Anselm am Arm. »Sonst erwachen die Ratten noch aus ihrer Starre.«
Sie brauchten keine dreißig Meter weit zu laufen, um aus dem unterirdischen Labyrinth zu gelangen. Pioniere hatten dort einen Schacht gegraben, weil Rejnbrink sie aufgrund von Donald Chapmans Angaben an dieser Stelle vermutet hatte.
Nachdem sie im Freien waren, bestiegen sie einen Jeep und verließen den Vorort. Bald darauf hörten sie Motorenlärm von Flugzeugen. Die Flugzeuge schossen im Tiefflug über das halbzerstörte Borvedam hinweg, warfen Brandbomben und spritzten hochgradig giftige Rattenvertilgungsmittel.
Drei Tage nach diesen Ereignissen war Borvedam von Ratten gesäubert. Die Pläne, an dieser Stelle eine neue Gartenstadt entstehen zu lassen, lagen längst bereit. In wenigen Jahren schon würde nichts mehr an das Rattennest erinnern, und Ratten-Jenny würde in Vergessenheit geraten – oder auch nicht. Vielleicht würde sie unsterblich werden, aber wenn, dann nur als Sagengestalt.
Der Dämonenkiller und seine Helfer waren für die Abreise nach London bereit. Julie Hanegem und Anselm van Riems kamen zum Flughafen hinaus, um sich von ihnen zu verabschieden. Anselm war wie verwandelt: schweigsam, zurückhaltend, ernst; und er hatte ständig den Arm um seine Verlobte gelegt, als wollte er sich wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm klammern. Er wußte, daß nur sie ihm den Halt geben konnte, den er benötigte.
»Bis heute hatten Sie Schonzeit, Anselm«, sagte Dorian zu ihm, »aber dort lauern bereits die Jäger.«
Anselm folgte seinem Blick. Keine zwanzig Schritte von ihnen entfernt wartete Kommissar Pit Rejnbrink mit zwei Kriminalbeamten.
»Bis heute konnte ich Vernehmungsunfähigkeit vortäuschen«, sagte Anselm unbehaglich, »aber Rejnbrink hat gesagt, daß er mich sofort nach Ihrer Abreise zum Verhör holen wird. Er wird mir natürlich Löcher in den Bauch fragen. Was soll ich ihm denn nur sagen?«
»Wenn Sie einen Rat wollen: auf keinen Fall die Wahrheit«, riet ihm Dorian. »Vor allem lassen Sie Ratten-Jenny aus dem Spiel, sonst landen Sie in der Gummizelle. Glauben Sie mir, ich habe Erfahrung mit solchen Dingen. Niemand würde Ihnen glauben.«
»Das mag schon stimmen.«
»Kopf hoch, Anselm! Zusammen mit Ihrer Verlobten werden Sie es schon schaffen, mit Ihrer Erinnerung fertig zu werden. Und nur das zählt.«
Sie schüttelten einander die Hände.
Dorian drehte sich nicht mehr um, als er mit seinen Gefährten zur Abfertigung schritt. Für den Dämonenkiller war das Kapitel Rattenkönigin abgeschlossen. Jetzt konnte er darangehen, die Dämonen-Drillinge zu vernichten.
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