0241 - Der Pesthügel von Shanghai
James.
»Wird er denn stattfinden?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Möglich ist es.«
»Ja, Sir. Nur die Männer warten, und sie werden woanders vielleicht dringender gebraucht.«
»In einer Stunde wissen Sie mehr.«
»Danke, Sir.«
Shao fragte: »Sie wollen nicht gegen Costello vorgehen?«
»Nein und ja. Ich will erst abwarten, was uns der Anrufer zu sagen hat. Seltsamerweise glaube ich nicht an den Bluff eines Wichtigtuers.«
»Das stimmt.«
Abermals vergingen Minuten. Shao kaute nur langsam. Irgend etwas sträubte sich in ihrem Innern, das Sandwich zu schlucken, dann zuckten sie und Glenda zusammen, als der Apparat anschlug.
Diesmal hatten sie Glück.
»Lassen Sie die Fangschaltung«, sagte der Anrufer als erstes. »Sie würden dadurch alles zerstören.«
»Ist bereits erledigt.«
»Gut, Powell, ich verlasse mich auf Sie. Wir haben Sinclair und auch Suko.«
»Das hatte ich mir gedacht«, erwiderte der Superintendent trocken. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, daß Shao sich steif hingesetzt und die Hände zu Fäusten geballt hatte. »Sie zu fragen, wer Sie sind, hat wohl keinen Sinn.«
»Nein. Aber ich kann Ihnen beruhigende Informationen liefern, Powell. Wir sind keine Gegner, sondern brauchen Ihre besten Leute, damit sie uns helfen.«
Das hatte Sir James nicht erwartet. »Und deshalb die Entführung?«
»Ja, alles mußte sehr schnell gehen, da wir ein Problem haben. Ich will Ihnen nur soviel sagen. Sollten Sinclair und Suko es schaffen, werden Sie die beiden gesund wiedersehen. Wenn nicht…« Er lachte leise. »Sie kennen ja das Berufsrisiko.«
»Darf man fragen, wo sich die Männer befinden?« wollte Sir James wissen.
»Ja. Nicht in Europa. In Asien. Das wär’s, Sir James. Wie gesagt, Sie bekommen sie wieder, falls…« Die letzten Worte ließ er unausgesprochen und legte auf.
Auch Sir James ließ den Hörer auf die Gabel fallen. Er wählte danach sofort eine andere Nummer und blies den Einsatz gegen Logan Costello ab. Anschließend drehte er sich auf seinem Stuhl, trank einen Schluck Wasser und schaute die beiden Frauen an. »Sie haben mitgehört. Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
Glenda Perkins schüttelte den Kopf. »Mir nicht. Nur insofern, daß dieser Mann ein sehr klares Englisch sprach, als hätte er es auf einer Universität gelernt.«
»Ja, da gebe ich Ihnen recht, Glenda. Auch mir kam es so vor. Und Ihnen, Shao?«
Die Chinesin hob die Schultern. »Ich habe da einen bestimmten Verdacht«, erklärte sie.
»Und welchen?«
»Es kann durchaus sein, daß wir nicht mit einem Europäer, sondern mit einem Landsmann von mir gesprochen haben. Ich glaube, daß es ein Chinese war, der uns angerufen hat.«
»Sind Sie sicher?«
»Fast. Ich hörte es an bestimmten Betonungen. So sprechen Chinesen, wenn sie ein korrektes Englisch gelernt haben.«
»Dann wäre John in China«, platzte Glenda hervor.
Sir James lächelte. »Es ist möglich, daß man John und Suko nach China entführt hat oder noch entführen will. Aber es gibt in Asien sehr viele Chinesen. Sie können also überall auf diesem gewaltigen Kontinent stecken.«
»Ob die schon da sind?« fragte Shao leise.
»Das glaube ich nicht. Um Personen aus dem Land zu schmuggeln, braucht man Zeit.«
»Dann sind sie für länger weg.«
»Wir müssen damit rechnen.«
Shao schüttelte den Kopf. »O Gott«, flüsterte sie, »das ist alles so grauenhaft. Ich begreife es nicht. Zuerst dachte ich ja, daß die Chinesen vorgeschoben wurden. Jetzt hörte ich die Stimme und muß sagen, daß es meine Landsleute sind, für die ich mich sehr schäme. Nach China. Was wollen sie da? Steht noch eine alte Rechnung offen?«
»Möglich«, meinte Sir James. »Aber ich glaube nicht daran. Man hat mir ja klipp und klar erklärt, daß gewisse Kreise in Asien unsere Hilfe brauchen. Sie haben sich John und Suko auf eine wenig freundliche Art und Weise ausgeliehen.«
»Und davon sind Sie überzeugt?« fragte Glenda.
»Ja.«
»Wer schafft so etwas?« hakte Shao nach.
Auch darüber war Sir James informiert. »Die Geheimdienste sind in gewissen Dingen eben allmächtig. Meiner Ansicht nach haben Sie, Shao, Besuch von einer kleinen Abordnung des chinesischen Geheimdienstes gehabt.«
Nach diesen Worten herrschte Schweigen zwischen den anwesenden Personen. Jeder mußte erst einmal seine Gedanken sortieren. Bis Shao fragte: »Und was können wir tun?«
Sir James schob die Unterlippe vor. Die Augen hinter seinen dicken Brillengläsern blitzten. »Nichts
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