0241 - Der Pesthügel von Shanghai
mehr bekämpfen konnte, weil er sie einfach nicht wegbekam.
So schlimm war es noch nie gewesen. Zwar lag bei drückender Luft immer ein gewisser Gestank über dem Dorf, aber das, was er nun erlebte, war grauenhaft.
Fu-Peng wußte nicht, was er machen sollte. Auch die anderen im Ort mußten den Gestank längst bemerkt haben. Sollte er hinlaufen und mit ihnen darüber sprechen? Eine Möglichkeit war es, dann dachte er an die harten Auflagen, die man ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Er durfte seinen Arbeitsplatz ohne triftigen Grund nicht verlassen, und den Geruch würde niemand als triftigen Grund anerkennen, zudem Fu-Peng nicht der einzige war, der ihn roch.
Es gelang ihm, seine Übelkeit zu unterdrücken, indem er nur durch die Nase atmete. Das klappte recht gut, und er bewegte sich auf das Fenster mit der trüben Glasscheibe zu, die immer grünlich schimmerte. Mit dem Ärmel wischte er sie erst sauber, damit er einigermaßen etwas erkennen konnte.
Auch vom Fenster aus konnte er auf den Sumpf schauen. Er sah sogar einen Ausschnitt des Knüppeldamms und hatte das Gefühl, als würden sich die alten Bohlen bewegen.
Sie schienen wellenförmig zu laufen, kamen einmal in die Höhe, übertrugen diese Bewegung auf die nächste Bohle und so weiter, bis sie das Ende des Dammes erreichten.
Er wischte über seine Augen. Es konnte sehr gut sein, daß er sich getäuscht hatte. Der Brechungswinkel des Glases zeichnete die Perspektive falsch, da sah man gewisse Dinge manchmal anders, als sie in Wirklichkeit waren.
Er trat wieder zurück und blieb in dieser unnatürlichen Haltung mit einem vorgestreckten Bein stehen.
Etwas hatte ihn irritiert. Entweder drehte er bald völlig durch und die Ereignisse hatten ihn so hart getroffen, oder es gab diesen seltsamen Grund wirklich.
Da hatte sich unter ihm etwas bewegt.
Eigentlich war es unmöglich, denn der Sumpf hörte noch vor dem Dorfeingang auf.
Er konnte nicht wandern!
Wirklich nicht?
Fu-Peng spürte, daß etwas nicht stimmte. Auch mit ihm nicht. Er war innerlich aufgewühlt, erregt, das Blut rauschte in seinem Kopf und schien mit doppelter Geschwindigkeit durch seine Adern zu schießen, er spürte die Gänsehaut, gleichzeitig ein Beweis, wie groß seine Angst mit einmal geworden war.
Und er schaute zu Boden!
Zuerst hatte er sich nicht getraut, aus Angst, etwas Schreckliches zu sehen, nun senkte er den Blick und erkannte, daß er sich nicht getäuscht hatte.
Der Boden bewegte sich!
Aber wieso? Er bestand aus festgestampftem Lehm, der unzählige Jahre überdauert hatte und ausgerechnet an diesem Tag anfing, sich zu verändern.
Er warf Wellen!
Fu-Peng wurde wieder daran erinnert, als er einen Blick auf den braunen Sumpf geworfen hatte. So ähnlich hatte die Fläche auch ausgesehen. Was er dort im Großen erkannt hatte, wiederholte sich nun hier im Kleinen. Der Sumpf war zu einem gefährlichen Gegner geworden, und er hielt sich nicht mehr an seinem Platz, sondern breitete sich aus.
Er wollte das Dorf verschlingen!
Als ihm dieser Gedanke in den Sinn kam, da weiteten sich seine Augen. Die Haut nahm einen fahlen Schimmer an, und Fu-Peng stellte mit Schrecken fest, daß sein rechter Fuß in etwas Weiches trat.
Der Schuh drückte sich in den Boden. Nicht nur das, er sank weiter, und der Student konnte zuschauen, wie plötzlich sein Knöchel verschwand. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, es mit einer Gegenkraft zu versuchen. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, als er versuchte, das rechte Bein aus dem Boden zu reißen. Krebsrot wurde seine Haut. Noch nie im Leben hatte er sich so angestrengt, und er stellte auch fest, daß der Boden nicht nur an einer Stelle weich geworden war, sondern überall im Raum. Der Sumpf war gewandert, er hatte die kleine Baracke erfaßt. Was so lange auf dem festgestampften Lehm gestanden hatte, geriet nun ins Wanken. Es war keine Täuschung, als Fu-Peng die Mauern sah, die ebenfalls nicht mehr ruhig standen, sondern sich bewegten. Sie zitterten und schwankten.
Noch einmal zerrte er mit aller Macht – und kam frei!
Gleichzeitig traf ihn der nächste Schock. Den rechten Fuß hatte er zwar befreien können, dafür steckte er nun mit dem linken fest, und zwar bis zum Schienbein.
Aus seinem Mund drang ein qualvolles Stöhnen. In diesen Augenblicken erlebte er einen Horror, der unbeschreiblich war. Es gelang ihm nicht mehr, das Gleichgewicht zu halten. Er kippte weg, streckte seine Arme aus und fiel gegen den Kasten, wo die Züchtungen der
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