0242 - Werwolf-Terror in Soho
hat, doch ich bin sicher, daß sie etwas Großes vorhat. Sie wird rangehen.«
»Und an wen?«
Ich bückte mich und schloß den Wagen auf. »Wir wollen hoffen, daß wir es nicht erst erfahren, wenn es zu spät ist, dann käme es einer Katastrophe gleich…«
***
Lester del Roy hatte seine genauen Befehle bekommen. Er war jetzt kein Mensch mehr, sondern ein Werwolf. Sobald der Tag graute, verwandelte er sich wieder zurück.
Dafür brauchte er nicht erst das allmähliche Verblassen des Vollmonds, sondern reagierte auf einen geistigen Befehl seiner Herrin Lupina. In einem nebelgeschützten Hinterhof vollzog sich die Verwandlung. Aus der Bestie wurde wieder ein Mensch.
Dann entließ die Königin der Wölfe ihren Diener. Zuvor hatte sie ihm noch genaue Instruktionen mit auf den Weg gegeben. Lupina war sicher, daß der andere sie auch einhalten würde.
Lester del Roy ging seinen Weg, als wäre nichts gewesen. Er bewohnte zwei kleine Zimmer in einem Dreifamilienhaus nahe der Grenze zu Chelsea. Unten befand sich eine Metzgerei, darüber wohnten die Besitzer des Ladens – sie waren gleichzeitig die Hauseigentümer –, und wo die Wände schräg wurden, hatte sich Lester del Roy eingenistet.
Als er die Straße betrat, lag auch hier der Nebel in mehreren Schichten übereinander. Er quirlte und wallte. Das Licht der Straßenleuchten drang so gut wie überhaupt nicht hindurch.
Vor dem Haus war es heller.
Und dort herrschte auch bereits Betrieb, denn der Metzger war mit seinem Wagen vom Großmarkt zurück. Mit einem Gehilfen zusammen lud er aus und schaffte die Fleischbrocken in die hinter der Metzgerei liegende Kühlkammer.
Lester del Roy hätte sich gern ungesehen vorbeigeschlichen, doch die Männer hatten Pechfackeln angezündet, ein altbewährtes Mittel, um den Nebel ein wenig durchsichtiger zu machen, was ihnen auch gelungen war.
»So früh kommen Sie, Mr. del Roy?« rief der Metzger und winkte dem Werwolf zu.
»Ja, die Nacht war hart.«
»Hoffentlich auch schön.«
»Bestimmt.«
Der Metzger kam näher. Ein verständnisvolles Grinsen zeichnete sein Gesicht. »Wissen Sie, daß ich sie immer heimlich beneide, del Roy?«
»Wieso?«
Der Mann blieb stehen. Der Lichtschein der Fackel tanzte auf ihm.
Eine Gesichtshälfte sah seltsam feurig aus. »Ist doch klar, Mensch. Sie sind Junggeselle, haben zudem einen guten Job, und in den heutigen Zeiten müßten Ihnen die Weiber doch die Tür einrennen.«
»So schlimm ist es nicht.«
»Kommen Sie, stapeln Sie nicht tief. Unsereins muß den langen Tag über Fleisch hacken, Wurst kochen und…« Er sprach nicht mehr weiter, dafür nahmen seine Augen einen erstaunten Ausdruck an, was Lester del Roy wohl bemerkte.
»Ist etwas?« Seine Stimme klang irritiert.
»Ja, Blut.«
»Wo?«
»An Ihrem Kragen. Haben Sie sich geschnitten?«
Ein heißer Schreck durchfuhr Lester del Roy. Verflucht, daran hatte er nicht mehr gedacht. Er sah das neugierige Gesicht seines Hausbesitzers wie in einer Großaufnahme dicht vor sich und auch den fragenden Ausdruck in den Augen. Aus diesem Grunde suchte er fieberhaft nach einer Ausrede, und ihm fiel rasch eine logische Erklärung ein.
»Wissen Sie, ich war in Soho. Na ja, ich hatte noch Durst, und in einer Kneipe traf ich auf zwei Burschen, die mich mit einem Krösus verwechselten. Einer von ihnen hatte ein Messer. Er ritzte mich ein wenig, das ist alles.«
»Ach so!« Der Fleischer zeigte beim Grinsen die Zähne. »So ist das. Hatte mir schon so etwas gedacht. Dann erholen Sie sich mal von dem Streß der Nacht.«
»Ja, das muß ich auch. Am späten Nachmittag beginnt wieder der Dienst.«
»Und geben Sie acht, daß keiner in das Schlafzimmer der Queen läuft und ihr unsittliche Anträge macht.«
»Ich passe schon auf.« Lester del Roy drehte ab. Er nahm den Schlüssel aus der Tasche und war froh, die Lage heil überstanden zu haben. Er öffnete die Haustür, betrat den engen Treppenflur und huschte leichtfüßig in die obere Etage, wo seine beiden Zimmer lagen. Hinzu kam ein winziger Waschraum, in dem es außer der Toilette noch eine Duschkabine gab.
Diesen Raum betrat der Mann zuerst. Er riß die Tür auf, machte Licht und besah sein Gesicht im Spiegel. Die eingefallenen, grau wirkenden Wangen fielen ihm nicht auf, er schaute nur dorthin, wo sich der Hemdkragen befand. Rot…
Das Blut hatte sich eingesaugt und auch verteilt. Wie eine rote Halskrause wirkte der Kragen.
Der Mann schluckte. Dann stieß er einen Fluch aus und riß sich
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