0243 - Der Henker kam mit 13 Briefen
Leute mit vollendeter Höflichkeit aus dem Office. Solch schwierige Missionen schafft er einfach hervorragend, jedenfalls weit besser als ich.
Kaum war das Ehepaar außer Sichtweite, da startete Phil mit dem Film zu unserem Fotolabor. Schon nach zwanzig Minuten brachte er die fertigen Bilder zurück.
Mr. Miller hatte wirklich glänzende Aufnahmen gemacht. Uns ging es natürlich nur um die Fotos von der Rollstuhl-Manschaft. Es waren zwei Stück, vollendet scharf und richtig belichtet.
Den Inv.aliden konnte man nicht erkennen; Hut und Schal bildeten eine vorzügliche Tarnung. Der eine Helfer war Oliver Crown, er interessierte uns nicht mehr. Dafür der andere Samariter um so mehr. Sein Gesicht war einmal von vorn und einmal von der Seite aufgenommen worden. In der Tat, solch typische Gangsterphysiognomie sieht man sonst nur im Kino.
Wir mussten aber auch erkennen, dass die Beschreibung, die Crown von seinem zufälligen Kompagnon gegeben hatte, absolut zutreffend war. Neue oder andersartige Merkmale zeigten die Fotos jedenfalls nicht. Damit schwand die Aussicht, dass die Aufnahmen Neville mehr nützen würden als die Beschreibung des Ganoven.
Dennoch stiegen wir Neville erneut auf die Bude. Ich wollte nichts unversucht lassen.
Neville beugte sich über die beiden Fotos, die ich ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte. Nachdem er sie eine Weile scharf betrachtet hatte, schüttelte er den Kopf.
»Jungs, ich fürchte, ich kann euch nicht helfen. Dieser Mann ist bei mir nicht registriert.«
»Dann schicken wir die Bilder eben an die Zentrale in Washington. Vielleicht ist der Kerl dort eingetragen«, sagte ich und nahm die Fotos wieder an mich.
»Wir könnten doch auch Steckbriefe drucken lassen«, schlug Phil vor. »Dann würden wir ihn verhältnismäßig schnell finden.«
»Richtig, wir würden ihn schon am nächsten Tag, nachdem sein Konterfei die Plakatsäulen ziert, finden. Aber als Leiche! Seine Komplizen zögern bestimmt keine Sekunde, ihn umzubringen, sobald sie gewahr werden, dass wir ihm dicht auf der Spur sind. Wir kennen doch die Sitten in Gangsterkreisen.«
Neville saß da und hatte nachdenklich die Stirn in die Hand gestützt. Plötzlich sah er auf.
»Jerry, gib mir noch mal die Fotos!«
Achselzuckend schob ich ihm die Bilder zu. Neville nahm einige Blätter Papier zur Hand und deckte damit nacheinander verschiedene Partien des Galgenvogelge-, sichts ab. Er brummte etwas Unverständliches vor sich hin, sprang unvermittelt auf und verschwand im Nebenraum.
Hoffnungsvoll blickten sich Phil und ich einander an. Unsere Erwartung sollte nicht betrogen werden. Nach wenigen Minuten tauchte Neville wieder auf und schwenkte triumphierend ein Karteiblatt in der Hand.
»Hier ist euer Mann!«
Ich verglich die Fotos auf dem Karteiblatt mit den Aufnahmen Mr. Millers. Kein Wunder, dass Neville den Gangster aufgrund der Beschreibung überhaupt nicht und anhand der Aufnahmen Millers nur schwer hatte identifizieren können. Die FBI-Bilder zeigten einen Mann mit hellen, glatten Haaren und einer Hakennase. Auf den Amateurfotos hingegen hatte der Ganove krause schwarze Haare und eine breite Sattelnase. Nur die Ohren, die vorstehenden Backenknochen, die eingefallenen Wangen und die tief liegenden Augen waren auf allen Fotos dieselben.
Nun ist es kein Problem, die Haare zu färben und mit einer Kräuselessenz zu behandeln. Weit schwieriger ist, dem Gesichtserker eine andere Form zu geben. Burk Crewell, so hieß der Bursche, musste ein ganz gefährlicher Ganove sein, da er es für nötig gehalten hatte, sein Aussehen durch eine kostspielige Operation zu verändern.
Die Eintragungen auf seinem Karteiblatt bestätigten diese Vermutung. Die lange Liste seiner Untaten reichte vom einfachen Diebstahl über Vergewaltigungen und Rauschgifthandel bis zum bewaffneten Banküberfall. Ein Allround-Gangster also.
Wie aus dem Karteiblatt noch hervorging, wohnte der Gangster in Brooklyn, Doughty Street Nr. 3.
»Auf geht’s«, sagte ich. »Da fahren wir mal hin. Vielleicht können wir uns den Burschen kaufen. Neville, informiere den Chef, was wir Vorhaben!«
Dann trabten Phil und ich aus dem Haus.
Gerade wenn man’s eilig hat, wird man durch irgendetwas aufgehalten. So war ich in der Vorstellung befangen, dass mein Jaguar wie üblich startbereit im Hof stehen würde. Erst als ich das gute Stück nicht an seinem Platz vorfand, fiel mir wieder ein, dass ich es ramponiert in Newark hatte zurücklassen müssen. Es vergingen einige
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