0243 - Der Henker kam mit 13 Briefen
Detektiv-Büro. Anscheinend Klingel kaputt. Habe aber Mister Chatter am Fenster gesehen.«
Wir schoben uns, ohne eine Entgegnung abzuwarten, an dem Mann vorbei und gingen so leise wie möglich die Treppe hinauf. Das war kein Problem, denn die Stufen waren mit einem dicken Teppich belegt.
Noch größeres Pech: Die Tür zu Chatters Apartment war ebenfalls zugesperrt.
»Läuten!«, bestimmte ich. »Es bleibt ja gar nichts anderes übrig.«
Kaum hatte ich den Daumen auf den Klingelknopf neben dem polierten Firmenschild gelegt, da ertönte im Innern der Wohnung ein gedämpfter, trockener Knall.
Ich riss die Pistole aus dem Halfter, schlug mit dem Kolben die Milchglasscheibe der Tür ein, griff hindurch, tastete nach dem Schlüssel und drehte ihn herum. Die Tür sprang auf.
***
Obwohl ich, sicherlich auch Phil, etwas Ähnliches vermutet hatten, blieben wir für Bruchteile von Sekunden wie angewurzelt an der Türschwelle stehen. Das Bild, das sich uns bot, war auch ganz dazu angetan.
Eine Stehlampe in der Ecke verbreitete angenehm gedämpftes Licht über den feudalen, holzgetäfelten Raum. In der Mitte und etwas schräg stand ein massiver Diplomatenschreibtisch mit dem üblichen Kram darauf wie Telefon, Stempelständer, Löscher, Aschenbecher und Briefbeschwerer. Und noch etwas lag auf der polierten Platte, genauer gesagt, auf einem eng beschriebenen Briefbogen; der blanke Billardkopf Chatters: An der rechten Schläfe zeichnete sich ein kleines, kreisrundes Loch ab, aus dem ein wenig Blut sickerte.
Der Körper des Detektivs hockte zusammengesunken in einem Ledersessel. Der rechte Arm hing ausgestreckt herab. Unmittelbar darunter lag eine kleine Pistole auf dem dicken Teppich. In der Luft hing unverkennbar der süßliche Geruch verbrannten Kordits.
Diese Eindrücke hatte ich in weniger als einer Sekunde in mich aufgenommen.
»Phil, rufe die Mordkommission an!«
Während Phil sich mit dem Telefon beschäftigte, untersuchte ich flüchtig den Detektiv. Mein erstes Urteil bestätige sich: »Chatter war tot!«
Ich hob die eigenartige Waffe auf, aber am Lauf, um keine Fingerabdrücke zu verwischen, und roch an der Mün-50 dung. Kein Zweifel, mit dieser Waffe war soeben geschossen worden.
Der Einschuss an Chatters Schläfe war von winzigen Pulverspuren umgeben. Der tödliche Schuss war aus einer Entfernung von höchstens einem Zoll abgefeuert worden.
»Einwandfrei Selbstmord. Zur Sicherheit können die Experten ja noch einen Paraffintest durchführen.«
(Mit Hilfe dieses Tests lässt sich einwandfrei feststellen, ob eine bestimmte Person geschossen hat. Beim Abfeuern einer jeden Waffe werden nämlich kleinste Pulverpartikel ausgestoßen, die in die Haut der Schusshand eindringen. Wird die Hand in flüssiges Paraffin getaucht, dann zieht das erkaltende Paraffin die mikroskopischen Pulverspuren aus der Haut und macht sie dadurch nachweisbar.)
Phil betrachtete interessiert die Waffe Chatters.
»Hol’s der Kuckuck, die Affäre wird immer undurchsichtiger. Pistolen dieser Art sind im Handel überhaupt nicht erhältlich. Nur Geheimdienste rüsten ihre Leute mit solchen nahezu lautlosen Miniaturwaffen aus. Das hat gerade noch gefehlt, dass wir es mit einem Spionagefall zu tun bekommen.«
»Keine wilden Vermutungen! Lesen wir doch erstmal nach, was Chatter der Nachwelt noch mitzuteilen hatte.«
Ich zog den Briefbogen unter dem vornübergesunkenen Kopf Chatters hervor. Dann lasen wir mit steigender Verwunderung: An das FBI New York,
zu Händen von G-man Cotton!
Als Detektiv kann ich mir natürlich leicht ausrechnen, dass Ihre Ermittlungen binnen Kurzem zu mir führen müssen. Es war jedoch nicht Dummheit, die Postbotenuniform bei einem Kostümverleih zu besorgen, sondern eine gewisse Ausweglosigkeit. Selbst wenn ich es schlauer angepackt hätte, wäre der Schlussstrich nur hinausgezögert worden. Ich möchte aber ausdrücklich feststellen, dass ich mit den Gangstern, die den Postwaggon des Express 472 überfallen haben, in keinerlei persönlicher Beziehung stehe. Ich kenne weder ihre Namen noch ihren Aufenthaltsort, noch ihre wahren Absichten. Ich weiß nicht einmal, zu welchem Zweck die Postbotenkluft dienen soll.
Im rechten Schreibtisch finden Sie ein Tonbandgerät, mit dem ich die Telefonanrufe des Erpressers auf genommen habe. Hören Sie das Band ab, dann wissen Sie über meine Lage Bescheid. Die von dem Erpresser erwähnte Akte 34 A betrifft geheime Informationen an eine ausländische Macht. Der Erpresser, in
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