0244 - Der Seelen-Vampir
Ausgang des Stollens tarnte.
Mit beiden Händen drückte ich das Zeug zur Seite, hatte freie Sicht und spürte schon die Nässe, wie sie als Sprüh gegen mein Gesicht geweht wurde.
Suko drückte eine Hand in meinen Rücken. »Geh schon, oder willst du hier festwachsen?«
»Das hatte ich nicht vor.« Ich schob meinen Körper weiter, gelangte auf trockenen Grund und sah bereits die gewaltigen Felsen, die hier den Strand markierten.
Es waren übermannsgroße Klötze, die bizarre Schatten warfen.
Überhaupt imponierte mir die gesamte Kulisse, die sich unseren Augen bot, und wir beide blieben stehen, um das Bild in uns aufzunehmen.
Da war erst einmal der Himmel.
Er zeigte eine seltsame Farbe. Grau sah er aus, aber auch noch hell, denn hinter den langen, dünnen Wolken mußte noch das Licht einer untergehenden Novembersonne lauern, die soviel Kraft besaß, um durch die Wolken zu scheinen.
Zudem wehte ein starker Wind. Überfallartig hieb er gegen uns, wühlte die Haare auf und spielte mit unserer Kleidung. Vor uns wuchsen die Felsen in das Meer hinaus, und starke Wellen rannten gegen den Strand an, wobei sie von den ins Meer wachsenden Felsen gebrochen wurden und zu einer Brandung hochschäumten.
Die hellen, langen Schaumstreifen quirlten zwischen den Felsen, ein nie abreißender Wasservorhang stand in der Luft, und erst dicht vor unseren Füßen verlief sich das letzte Wasser.
Auch glaubten wir, auf dem Wasser einen dunklen Gegenstand zu sehen. Suko machte mich darauf aufmerksam, wobei er gleichzeitig seinen Platz verließ und auf einen der höchsten Felsen stieg. Von dort winkte er mir.
Ich verstand das Zeichen und kam nach.
Nebeneinander blieben wir stehen. Von dieser Stelle aus besaßen wir einen guten Überblick, und jetzt entdeckte ich das Boot ebenfalls. Es hatte nur wenige Lichter gesetzt. Der Steuermann schien sich, innerhalb dieses Gewässers kaum auszukennen, denn der Kahn bewegte sich ziemlich dicht bei den gefährlichen Klippen.
Wie ich schon erwähnte, es war ein seltsames Licht, das an diesem Teil der Küste herrschte. Ein Zwielicht, das alle Konturen hart und überdeutlich hervortreten ließ, und deshalb konnten wir auch bis zum Schiff schauen.
Etwas stand an Bord.
Zuerst glaubten wir beide an eine Täuschung, dann aber sahen wir die Gegenstände genauer.
»Das sind Kisten«, meinte Suko.
Er mußte laut sprechen, damit er auch von mir verstanden wurde.
Ebenso laut gab ich zurück. »Kisten sind es, Alter, aber ganz besondere, wenn mich mein Holzauge nicht täuscht. Du hast doch den großen Falkenblick, schau mal genau nach.«
Keinem von uns beiden war wohl zumute, und ich spürte den Schauder, der meinen Körper erfaßt hielt. Was im ersten Augenblick wie Kisten wirkte, waren in Wirklichkeit Särge!
Vier Särge standen an Deck!
Ich schluckte.
»Damit hätte ich nicht gerechnet.« Suko sprach es aus und schaute mich dabei an. »Verdammter Mist, da sind wir zu spät gekommen. Die haben die Höhle mit dem makabren Diebesgut geräumt.« Mein Freund schaute mich an. »Was machen wir jetzt? Wir haben kein Boot.«
»Wir alarmieren die Küstenwacht. Mit der alten Barkasse sind sie den modernen Booten unterlegen. Los, komm!« Ich drehte mich um, wollte vom Felsen springen, als ich einen Blick, es war rein zufällig geschehen, in die Höhe warf.
Man kennt ja die Steilküsten Cornwalls von zahlreichen Bildern und Fotographien. Sie sehen aus wie helle in der Mitte durchgeschnittene Berge, diese gewaltigen, sich dem Himmel entgegenschraubenden Wände, die praktisch dem Verlauf der Küste folgen und sie nachzeichnen. Sie sind oft Hunderte von Yards hoch.
Auch vor unseren Augen wuchtete so eine gewaltige Wand in den Himmel. An der Abbruchstelle schimmerte sie hell und oben auf ihrem Rand, sahen wir eine Gestalt.
Wieder mußte ich an das Licht denken, denn es sorgte dafür, daß sich die Gestalt wie ein Scherenschnitt dort abhob.
Sie stand nicht nur da, sie wehrte sich!
»Suko!« Ich deutete nach oben, mein Partner schaute ebenfalls, und beide wurden wir blaß.
Denn wir hatten den Mann erkannt, der dort seinem Mörder heftigen Widerstand leistete.
Es war der Pfarrer, der uns geholfen hatte!
***
Die nächsten Sekunden waren für Suko und mich so schrecklich, daß mir einfach die Worte fehlten, unsere Gefühle zu beschreiben.
Wir waren hilflos…
Ja, das war das Schlimme daran. Wir erkannten, daß dort oben auf dem Felsenrand ein Mensch um sein Leben kämpfte, wobei wir tief unten standen
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