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0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod

0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod

Titel: 0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auf dünnen Seilen tanzt der Tod (1 of 2)
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Wir haben doch nur einen Sidwell in der Stadt, und das ist der Eisenwarenhändler unten am Bahnhof.
    Aber ja. Slim schlug sich gegen die Stirn. Natürlich, Sidwell hatte eine Schwester, ein junges, lebenshungriges Ding. Sie war durchgebrannt, als sie sechzehn oder siebzehn war. Zum Zirkus war sie gegangen, hieß es. Und dann kam das 43er Jahr. Joan Sidwell hielt ihren Einzug in die Stadt wie eine Königin. Inzwischen war sie eine gefeierte Artistin geworden. Und alle Klatschmäuler, die noch am Tage vorher das schwärzeste Schicksal für sie vorausgeahnt hatten, überboten sich in Versicherungen, dass man immer schon gefühlt habe, Joan sei zu etwas Größerem bestimmt…
    Slim lächelte dünn. Na ja, wie die Leute eben so reden, dachte er. Joan hatte jedenfalls ihren Triumph. Zwei Tage nach ihrer Ankunft mit dem großen Zirkus, am Tage der letzten Vorstellung, starb sie plötzlich. Gehimschlag hatte es geheißen. Slim erinnerte sich wieder. Es war die bunteste Beerdigung gewesen, die er je gesehen hatte, denn die Leute vom Zirkus waren in ihren Kostümen hinter dem Sarge hergegangen.
    Die Leute vom Zirkus »Johnson Brothers«.

Aus dem großen Zelt drangen die schmetternden Klänge der Kapelle, die »Stars and Stripes«, spielte. Im Zwischenbau ertönte das dumpfe Stampfen der Lipizzaner. Das leise Summen einer vieltausendköpfigen Menschenmenge hing in der Luft. Die erregende Atmosphäre einer Zirkusvorstellung schwebte unsichtbar und doch deutlich spürbar über dem freien Platz am Südrand der Stadt Scranton.
    »The Johnson Brothers« stand in flammend roten Buchstaben über dem Eingangsportal, »The Johnson Brothers« schien es rot vom Gipfel des Zeltes, »The Johnson Brothers« verkündeten die Schriftzüge auf jedem Wohnwagen, auf den Zugmaschinen und Spezialschlep- pem, auf den Plakaten in der Stadt und in den Inseraten der Zeitungen. »The Johnson Brothers« schließlich strahlten 363 rote Glühbirnen von einem hohen Gerüst über die Dächer der Stadt hinweg.
    Valencia Johnson, die Frau des Direktors, eine Matrone unbestimmbaren Alters, aber sicherlich über die fünfzig hinaus, klappte den Deckel der Stahlkassette zu und schloss die Abendeinnahme ab. Dem Gesicht der Frau nach zu schließen, musste die Höhe der Summe zufriedenstellend sein.
    Eve Johnson, die rothaarige Tochter, Sekretärin, Presseagent, Werbeleiter und Organisationschef in einem, redete sich am Telefon die Kehle heiser. Während sich drüben die Artisten fertig machten zum Auftritt, telefonierte sie mit dem Schlachthof in Binghamton. Der Zirkus brachte vierzig Tonnen Fleisch, sechzehn Tonnen gepresstes Heu; Hafer, Klee, Mais und Weizen und vieles mehr.
    Wellington Johnson, der letzte vom großen Zirkusgeschlecht der Johnsons, prüfte den Sitz des Plastrons, drückte sich den glänzenden Zylinder fester auf seine schlohweiße Mähne und klopfte dem Hengst mit männlich, robuster Zärtlichkeit den festen Hals.
    »Nur ruhig, Stormy«, murmelte er. »Gleich geht’s los. Gleich… und komm mir nicht wieder mit deinen verfluchten Mucken bei der Hohen Schule, verstanden?«
    Sechs Lipizzanerhengste scharrten ungeduldig im Sand. Sie kannten die Eingangsmusik so gut wie irgendein Mensch. Die Stallburschen überprüften zum letzten Male Platz und Geschirr. Aber alles war in Ordnung, wie es sich eine Minute vor dem Auftritt gehörte.
    In dem Wohnwagen konnte man die Musik von der Empore über dem Eingang nur undeutlich hören. Juanita Marsari tupfte ihre ein wenig zu kräftig ausgefallene Nase mit der Puderquaste ab. Sie legte die elastischen Binden für die Knöchel- und Handgelenke zurecht. Am Trapez brauchte eine Frau mehr Kraft als ein kanadischer Holzfäller. Muskeln aus Stahl, die Augen eines Falken und den absolut sicheren Griff eines Präzisionsautomaten. Das Trapez durfte keine Handbreit zu hoch oder zu niedrig hängen. In sechzehn Meter Höhe hängt das Leben von Millimetern und Sekundenbruchteilen ab. Aber mit der Zeit spielt sich alles ein. Aus Training wird Routine, aus Genauigkeit Gewohnheit…
    Nebenan stand der Wohnwagen des »Schwarzen Adlers«. Aber wer abends in prunkvoller Häuptlingsmontur mit dem schweren Kopfputz aus Adlerfedern die langen, schweren Messer durch die Luft wirbelte und auf fünfzehn Schritte das As in einer Spielkarte traf, hieß mit bürgerlichen Namen Wilhelm Fiedler und war vor einundvierzig Jahren in einem Friesendorf an der Nordsee geboren. Aus dem Süden, aus einem Bauerndorf in den mittelitalienischen

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