0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod
Ihnen doch keine Schwierigkeiten machen. Ich gebe Ihnen mein Wort, Miss Marchese, dass ich jedes Wörtchen von ihnen streng vertraulich behandeln werde. Mein Ehrenwort.«
Die Marchese spielte die Szene aus. Sie sah ihn lange an.
»Ihnen glaube ich«, sagte sie schlicht und ergreifend.
Zoome konnte sich nicht länger bezähmen.
»Wer ist es?«, brach es aus ihm heraus.
»Der Liliputaner«, sagte die Marchese. Und als sie es ausgesprochen hatte, glaubte sie bereits daran. »Ich habe ihn ein paarmal mitten in der Nacht mit einem Gewehr draußen herumschleichen sehen.«
»Der kleine Knirps«, staunte Zoome. »Donnerwetter, darauf wäre ich nie gekommen. Gibt es noch andere Anhaltspunkte?«
»Ich glaube, er war anfangs in die Marsari verliebt«, sagte die Marchese verächtlich. »In diese - hm. Die Marsari war mindestens schon vierzig. Überlegen Sie sich das. Sie hatte Krähenfüßchen um die Augen, Falten auf der Stirn und um den Mund und eine Haut, die so rau war wie Sandpapier. Sie hätten die Hände sehen müssen. Ein Riss neben dem anderen. Und erst die Beine. Nichts Weibliches. Harte Muskeln - beinahe wie ein Preisboxer.«
»Woher wissen Sie, dass sich der Liliputaner in sie verliebt hatte?«, fragte Zoome.
»Als Frau fühlt man das doch. Außerdem verpasste er nie ihren Auftritt. Wenn ihr jemand Blumen schickte, war er überglücklich, wenn er sie ihr in den Wagen tragen durfte.«
Zoome brummte etwas. Die Marchese glaubte, ihre Theorie, ihre Erfindung, die sie nun selbst schon wie eine unumstößliche Wahrheit ansah, noch untermauern zu müssen.
»Gestern Abend wird er gesehen haben, wie die Marchese sich in ihrem Wohnwagen von Earthy White küssen ließ. Kurz vor ihrem Auftritt. Nun Sie wissen sicher besser als ich, wie viele Menschen schon aus Eifersucht ermordet wurden.«
»Und wie ich das weiß«, murmelte Zoome. »Ich muss jetzt schnell etwas unternehmen. Darf ich Sie später noch einmal aufsuchen?«
Sein Blick flehte sie an. Sie kostete es aus und räkelte sich. Ein paar Sekunden lang ließ sie ihn in der Spannung ihrer bevorstehenden Antwort, dann nickte sie gnädig. Huld austeilend.
»Vielleicht werde ich mich sogar freuen, wenn Sie kommen…«
Zoome stolperte die Treppe hinab, blieb stehen und atmete tief. Diese Frau kann einen verrückt machen, dachte er. Es war ein Irrtum. Sie hatte ihn bereits verrückt gemacht.
***
»Du lieber Himmel«, sagte der Arzt, sah uns an und fügte lakonisch hinzu: »Krankenhaus.«
Ich wollte protestieren, aber Jack Miller kam mir zuvor.
»Selbstverständlich, Doc«, sagte er höflich. »Wir möchten nur, dass Sie uns fürs Erste ein bisschen verpflastem. Wir stammen aus New York und möchten gern dort in ein Hospital gehen. Ein paar Stunden in der Eisenbahn werden wir schon noch aushalten.«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, murmelte der Arzt, an den wir per Zufall geraten waren.
»Sie glauben gar nicht, was wir für eine Konstitution haben«, behauptete Jack.
Aus unbegreiflichen Gründen schien das zu überzeugen. Der Arzt rief eine Schwester, die zum Glück ein wenig jünger und weniger kurzsichtig war als er, herein. Zusammen machten sie sich über uns her.
Eine knappe Stunde später standen wir wieder auf der Straße, winkten uns ein Taxi und ließen uns zum Zirkus zurückfahren.
»Krankenhaus«, knurrte Jack unterwegs. »Wenn wir nach jeder Schlägerei in die wir beruflich verwickelt werden, gleich ins Krankenhaus gehen sollten, lägen wir die Hälfte des Jahres im Hospital.«
Beim Aussteigen trennten wir uns. Es war inzwischen neun Uhr vormittags geworden, und ich suchte Phil in seinem Wohnwagen auf. Besser gesagt, ich wollte ihn dort auf suchen. Aber er war nicht da.
Ich suchte in seinem Kleiderschrank und fand eine Flasche Scotch. Der Wohnwagen besaß einen Kühlschrank, und Phil hatte als zivilisierter Mensch für einen Vorrat an Eiswürfeln gesorgt. Ich genehmigte mir einen Scotch on the rocks. Er half mir mehr auf die Beine als eine Stunde ärztliche Behandlung.
Nachdem ich noch eine Zigarette geraucht hatte, ohne dass Phil zurückgekehrt wäre, machte ich mich auf die Beine, nach ihm zu suchen. Im Bürowagen befand er sich auch nicht. Dafür erblickte mich Wellington Johnson.
Mit einer herrischen Geste rief er mich in sein Arbeitszimmer. Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich nahm auf der vordersten Kante Platz. Hier galt ich ja nicht als G-man, sondern nur als eines der kleinsten Lichter der Truppe.
»Wie sehen Sie
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