0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod

aus?«, fragte Johnson.
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ich gefalle mir ja selber nicht, Chef. Aber was will man machen? So ein paar Schrammen lassen sich in fünf Minuten einkassieren. Bis sie geheilt sind, vergehen meistens Tage.«
    Johnson musste gegen seinen Willen schmunzeln.
    »Wie ist denn das passiert?«, fragte er.
    »Das war heute Nacht. Wir mussten ja wach bleiben, weil uns die Tecks noch vernehmen wollten. Da vertrat ich mir ein bisschen die Füße, als ich jemand hinter den Zugmaschinen stöhnen hörte. Ich kann mir nicht helfen, Chef. Ich bin von Natur aus neugierig. Ich nahm meine Taschenlampe und ging nachsehen. Sie hatten einen von den Stallburschen vor und waren dabei, ihn durch die Mangel zu drehen. Ich habe was gegen die Verletzung sportlicher Regeln. Er war allein, sie waren fünf oder sechs oder noch mehr. Dem Größten habe ich meine Meinung gesagt. Aber es waren eben doch zu viele.«
    Johnson blitzte der Schalk in den Augen. Es war nicht zu verkennen, dass ihm meine Geschichte gefiel.
    »Haben Sie die Leute erkannt?« fragte er. »Ich werde sie natürlich bestrafen.«
    Ich schüttelte den Kopf, blickte zum Fenster hinaus und erwiderte:
    »Nein, Chef, ich glaube nicht, dass ich sie erkannt habe.«
    »Das ist sehr schade«, meinte Johnson.
    »Ja, das ist sehr schade«, gab ich zu.
    »Da können wir wohl nichts machen?«, fragte er vorsichtig.
    »Nein, Chef. Da können wir nichts machen.«
    »Dann sind wir uns ja einig«, brummte Johnson und drückte mir sogar die Hand.
    Ich wusste dies zu schätzen.
    Im Vorzimmer musste ich meine Geschichte der Tochter noch einmal erzählen. Ich benutzte die Gelegenheit, um ihr so nebenbei zu erzählen, dass ich Mr. Decker suchte. Er hätte mich zu sich bestellt, ich wüsste nicht, warum.
    »Mr. Decker ist mit den Herren der Mordkommission in die Stadt gefahren.«
    Wenn ich mich nicht irre, wollten sie den Staatsanwalt aufsuchen. Das hörte ich zufällig.
    »Vielen Dank, Miss Johnson«, sagte ich artig. »Dann werde ich es eben später noch einmal versuchen.«
    Ich verließ den Bürowagen und schlenderte hinüber in die Richtung, in der Jones’Wohnwagen stand, als ich einen seltsamen Vorgang erblickte. Voran marschierte, mit rudernden Armen, Captain Blaine von der Stadtpolizei Syracuse. Einen halben Schritt hinter ihm kam jener Bursche, von dem mir Phil erzählt hatte, er gehöre zur Detektei Snackerton. Und hinter ihm schritten zwei uniformierte Ordnungshüter der Stadtpolizei mit grimmigen Mienen.
    Ich zog meine Mütze, als sie herangekommen waren, und wandte mich höflich an den Captain.
    »Suchen Sie mich, Sir?«
    Blaine blieb stehen. Ganz langsam drehte sich sein Kopf in meine Richtung. Er sah mich an wie eine Katze die Maus, die sie schon zwischen den Pfoten hat.
    Kopfschüttelnd ging er weiter, ohne mich eines Wortes zur würdigen. In Syracuse schien man nicht viel von guten Manieren zu halten. Ich ging hinter ihnen her. Kaum merkte es einer der Polizisten, da drehte er sich um und rief mir zu.
    »Wo wollen Sie hin?«
    Ich zeigte in die Richtung, in die sie alle gingen.
    »Nach da vom.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Mann, verschwinden Sie.«
    Ich zuckte ehrlich betrübt mit den Schultern.
    »Das geht leider nicht, Sir. Ich bin hier zu Hause.«
    Inzwischen hatten sich noch andere Leute eingefunden, die gleich mir dem Zuge folgten. Neugierde ist eine der weitverbreitesten Eigenschaften. Der Polizist schien einzusehen, dass er nichts machen konnte. Erbeeilte sich, den Anschluss zu finden.
    Sie marschierten direkt auf den Wohnwagen des Clowns Beppo zu. Blaine stieg als Erster die Stufen hinan und klopfte gegen die Tür. Er schien eine Antwort zu erhalten, denn er zog die Tür auf und ging hinein. Die beiden Uniformierten folgten ihm.
    Ich drängte mich durch die Menge, die sich in Windeseile angesammelt hatte, bis ich vor der Treppe angekommen war und durch die offen stehende Tür hineinblicken konnte. Leider sah ich nicht mehr als die Beine und die Rücken der beiden nebeneinander stehenden Polizisten. Dafür hörte ich Blaine genießerisch sagen:
    »…Joe Tiggers zu verhaften. Ich mache Sie, Mr.Tiggers, darauf aufmerksam, dass alles, was Sie von jetzt an tun oder sagen, gegen Sie verwendet werden kann. Sie werden sofort mit uns zum Präsidium kommen. Dort steht Ihnen die Möglichkeit offen, einen Anwalt herbeizurufen, wenn Sie darauf Wert legen. Gehen wir, Mr. Tiggers.«
    Eine Minute später kamen sie aus dem Wohnwagen heraus. Der kleine Liliputaner