025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus
sagte er, als er Caliras Blick begegnete.
Sie gab nicht zu erkennen, daß sie bereits seine Bekanntschaft gemacht hatte, und sagte nur: »Ich bin der Hoffnung, daß ihr Komödianten uns dieses Schauspiel, mit etwas Fantasie gewürzt, zur Fastnacht wiederholen werdet.«
Dann fuhr die Kutsche auch schon weiter. Der Prinzipal saß blaß im Sattel.
»Was habt Ihr, Apillion?« erkundigte sich Speyer bei ihm. »Könnt Ihr am Ende kein Blut sehen?«
»Das ist es nicht«, murmelte der Prinzipal. »Aber was wir eben erlebt haben – ist genau der Inhalt meines neuen Stückes. Auch bei mir spielt ein Schmied die Hauptrolle, der seine ganze Familie niedermetzelt. Wie ist das möglich? Es muß eine göttliche Fügung sein.«
»Oder der Wille des Teufels«, fügte Speyer hinzu. Aber niemand hörte ihn. Für Speyer gab es keinen Zweifel, daß es der Einfluß der Dämonen-Drillinge war, der den Schmied zu dieser Wahnsinnstat getrieben hatte; und keinen Zweifel konnte es auch darüber geben, daß es ihren dämonischen Machenschaften zuzuschreiben war, daß das neueste Schauspiel Apillions das Schicksal gerade dieses Schmiedes zum Inhalt hatte. Speyer ahnte Furchtbares. Er mußte den Goldenen Drudenfuß finden, um das Unheil noch abzuwenden.
Die Tage vergingen wie im Flug. Fastnacht rückte immer näher. Die Komödianten probten eifriger. Die Frauen legten letzte Hand an die Kostüme. Die Männer fertigten die Masken an. Alle sahen der Galapremiere mit großen Erwartungen entgegen. Nur Speyer nicht. Er wußte, daß die Dämonen-Drillinge einen teuflischen Plan geschmiedet hatten, der zur Fastnacht verwirklicht werden sollte.
Er konnte ihnen nur Einhalt gebieten, wenn er den Goldenen Drudenfuß fand. Aber so gründlich er den Wohnwagen des Prinzipals auch durchsuchte, er konnte das magische Pentagramm aus Alchimistengold nicht finden. Er war verzweifelt.
Auch beunruhigten ihn die Grausamkeiten der Bewohner von Haßfurt. Speyer hatte noch nie so viele schlechte Menschen an einem Ort angetroffen. Sie waren alle ohne Ausnahme durch und durch böse, vom Bürgermeister angefangen bis hin zum Dorftrottel, vom Kleinkind bis zum Tattergreis. In der Nacht kamen manchmal die Burschen aus dem Dorf zu den Wohnwagen geschlichen und begannen daran zu rütteln, daß man meinte, die Erde stürzte ein; und sie schrien und beschmierten die Wohnwagen mit Kot, warfen den Frauen die Kadaver toter Tiere in die Betten und zeigten ihnen ihre nackten Hinterteile, auf die sie Obszönitäten geschrieben hatten.
Die Komödianten gewöhnten sich auch daran. Als Speyer ihnen vorschlug, Haßfurt einfach hinter sich zu lassen und nach Köln weiterzuziehen, wo ein dankbareres Publikum wartete, da stieß er nur auf Verwunderung. Der Prinzipal meinte, daß es die Krönung seines Künstlerlebens sei, vor Fürst Hector Domenicus von Reese zu spielen.
Die Frauen wagten sich schon am zweiten Tag nicht mehr nach Haßfurt hinein. Als sie am Morgen zu dritt – Zenta, Isolde und Oswald Suppers Schwester Kordula – zum Brunnen auf dem Marktplatz gegangen waren, um Wasser zu holen, da begegneten ihnen die Bewohner zuerst freundlich. Wo der Brunnen sei, hatten sie gefragt. »Ja, meine Hübschen, ich führe euch hin«, hatte sich ein freundlicher alter Mann angeboten. Und weitere Dorfbewohner, alles Männer aller Altersstufen, hatten sich ihnen angeschlossen. Der Alte führte die drei Frauen wirklich zu einem Brunnen. Doch nachdem sie ihre Eimer am Strick heruntergelassen und wieder emporgeholt hatten, war darin statt Wasser nur Schlamm gewesen; und der Schlamm hatte nur so von Würmern gewimmelt und menschliche Gebeine hatten darin gesteckt. Als die drei Frauen zu schimpfen begannen, schütteten die Dorfbewohner den Inhalt der Eimer einfach über sie.
Die sensible Kordula Supper hatte einen Schreikrampf bekommen, der den ganzen folgenden Tag andauerte; erst gegen Mitternacht beruhigte sie sich wieder, und in den folgenden Tagen war sie noch schweigsamer als sonst. Dennoch dachte auch sie nicht daran, von Haßfurt fortzugehen. Ein magischer Bann schien die Komödianten hier festzuhalten.
Als der Prinzipal am zweiten Tag mit Odrigue zur Dorfschenke ging, faßte Speyer den Entschluß, seinen Wohnwagen zu durchsuchen. Von den anderen unbemerkt, schlich er sich hinein und begann mit seiner Tätigkeit, darauf bedacht, alles wieder an seinen Platz zu legen. Doch gut eine halbe Stunde war vergangen, ohne daß er auch nur einen Hinweis auf den Goldenen Drudenfuß gefunden
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