025 - Die toten Augen von London
Blick des andern. Strauß sah sich um, als ob er eine Möglichkeit zum Entwischen suchte.
»Nein, nein, damit ist's aus. Ich arbeite jetzt.«
»Na ja!« Fred mußte an die recht ähnliche Unterhaltung mit Larry Holt vor ein paar Tagen in Paris denken. »Ich wette, du bist auf dem Weg zum nächsten Hehler! Was hast du da in der Tasche? Zeig her!«
»Ach, nichts - nur kleiner Dreckkram. Hab' ich bekommen, wird nicht weiter vermißt.«
»Dann zeig schon!«
Widerwillig griff Strauß in die Tasche, brachte die gefüllte Hand wieder zum Vorschein und hielt sie, wie ein Gefäß gewölbt, vorsichtig in Brusthöhe.
Fred reckte den Hals und nahm sich etwas heraus.
»Da, schau mal, was für niedliche, seltene Dinger - die wirst du mir abtreten, Freund! Im Moment geht's mir dreckig, du kriegst das Geld dafür - gelegentlich.«
Mr. Strauß fluchte.
»Nein, wirklich, das ist nicht anständig von Ihnen, Mr. Grogan, und Sie sehen gar nicht so aus, als ob's Ihnen schlecht ginge!«
»Der Schein trügt. So - und nun stoßen wir darauf an!« schlug Fred vergnügt vor und ging voran in die nächste Bar. »Was bist du jetzt eigentlich? Kammerdiener oder Haushofmeister?«
»Haushofmeister«, antwortete Strauß. »Das ist gar nicht so schlecht, Mr. Grogan.«
»Sag doch Fred, Mensch!«
»Wenn du nichts dagegen hast. Nein, wirklich, ich habe eine Stellung bei einem sehr feinen Herrn.«
»Reich?«
»Mächtig. Aber kommt nicht in Frage. Er weiß, daß ich gesessen habe, und behandelt mich sehr anständig.« Fred sah ihn interessiert an. »Immer noch das verfluchte Gift?« Strauß wurde rot.
»Ja - ab und zu ein bißchen Koks.« »Wer ist nun aber dein Herr?«
»Du wirst ihn doch nicht kennen - Geschäftsmann in der City, Direktor von einer Versicherungsgesellschaft.« »Dr. - Judd?« fragte Fred schnell. »Stimmt. Doch woher weißt du das?«
11
Auf dem Nachhauseweg beschäftigten sich Diana Wards Gedanken unablässig mit den Problemen, die der Fall Stuart aufgeworfen hatte. Sie wohnte in der Charing Cross Road im Hause eines Zigarrengeschäftes.
Sie schlug die Haustür hinter sich zu und stieg langsam die dunkle, enge Treppe hinauf. Sie bewohnte die oberste und billigste der drei kleinen Etagenwohnungen, die über dem Zigarrenladen lagen. Die Mieter der anderen Wohnungen waren übers Wochenende aufs Land gefahren. Im ersten Stock wohnte ein lediger Regierungsbeamter, der gelegentlich laute Partys gab, im zweiten ein Künstler mit seiner Frau.
Diana war schon in der zweiten Etage angelangt und eben dabei, die beiden letzten Treppen in Angriff zu nehmen, als sie stehenblieb. Sie glaubte, ein Geräusch gehört zu haben, ein leises Knacken, das sie mehr gefühlt als gehört hatte. Sie wartete einige Augenblicke, aber dann sagte sie sich, daß es ja oft leise knackte in dem alten Haus, und schalt sich wegen ihrer Nervosität. Trotzdem ging sie sehr langsam weiter und erreichte den obersten Treppenabsatz. Nur noch wenige Schritte trennten sie von ihrer Wohnungstür. Der Treppenabsatz war breit, und mit einer gewissen Herausforderung streckte sie eine Hand ins Dunkel aus, als ob sie einen verborgenen Eindringling packen wollte.
Sie erstarrte vor Schrecken. Ihre Hand hatte einen Mantel berührt! Gellend schrie sie auf, doch im gleichen Augenblick preßte sich eine riesige, rauhe Hand auf ihren Mund, ihr Gesicht, und drückte sie langsam nach hinten. Sie sträubte und wehrte sich mit allen Kräften, aber der Mann, der sie gepackt hielt, umklammerte sie derart hart, daß sie jeden Widerstand aufgeben mußte, um überhaupt noch atmen zu können. Da lockerte sich der Druck des einen Armes, eine Hand tastete über ihr Gesicht, und auch der andere Arm, der sie noch umschloß, gab ein wenig nach.
Mit einem plötzlichen Ruck riß sie sich los, flog die paar Schritte zur Tür, stieß sie auf und warf sie fast im gleichen Augenblick hinter sich wieder zu. Der Schlüssel steckte auf der Innenseite. Blitzschnell drehte sie ihn herum - gewaltig erleichtert darüber, daß sie ihre Tür nie von außen verschloß, wenn sie wegging. Sie rannte durchs Zimmer, schaltete das Licht ein, riß ein Schubfach auf und nahm einen kleinen Revolver heraus. Sie lief, wenn auch mit klopfendem Herzen, zur Tür zurück und -öffnete. Auf der Türschwelle blieb sie stehen, rührte sich nicht und lauschte. Dann hörte sie einen leisen Schritt auf der Treppe und drückte ab. Ein Angstschrei - hastige Tritte polterten die Stufen hinunter. Sie zögerte eine Sekunde,
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