025 - Die Treppe ins Jenseits
rutschen, auf die Treppe zu,
wo sie sich vor dem ständig steigenden Wasser in Sicherheit bringen wollte.
Die Gestalt am Beckenrand rührte sich nicht. Bizarr, verschwommen, groß und
unheimlich erschien sie hinter den wallenden Nebelschleiern.
Und dann war sie plötzlich verschwunden! Eve wurde nicht bewusst, dass sie
immer noch schrie, dass sie wie im Irrsinn mühsam auf die Treppe zurutschte,
angstgepeinigt!
Plötzlich waren da zwei Hände vor ihr und ein Gesicht, das sich über den
Beckenrand beugte. Die Hände griffen nach ihr. Sie schlug danach, wollte sich
ihnen entreißen. Doch der Griff der starken Hände war zu kräftig für sie.
Eve wurde förmlich aus dem Wasser herausgehoben und fühlte sich auf starken
Armen getragen. Sie schlug um sich, schrie und tobte, und die beruhigende
Stimme, die zu ihr sprach, drang gar nicht in ihr Bewusstsein.
Da riss eine Hand ihren Kopf herum, und sie starrte in ein freundliches,
ihr wohlbekanntes Gesicht.
»Larry«, hauchte sie, und alle Spannung schien plötzlich von ihr zu
weichen. Alles an ihr wurde schläfrig, und ihr Bewusstsein setzte zum zweiten
Mal aus.
Und das war gut so.
5. Kapitel
Während Larry Brent Eve ins Haus trug, wurde sie unterwegs immer wieder
einmal kurz wach und plapperte sinnloses Zeug vor sich hin.
»Vater, Vater ... ich habe ihn gesehen, Larry«, ihre Stimme klang
sekundenlang klar und vernünftig, und Wellen von Schauern liefen über ihren
Körper. »Und Janett, kümmern Sie sich bitte um Janett! Sie muss hier irgendwo
im Hof sein! Vielleicht steht sie auf der Treppe ...« Da wurde sie wieder
ohnmächtig.
Larry legte sie auf den breiten Diwan im Wohnzimmer. Niedergeschlagen und
bedrückt standen ihr Cousin und Thomas Mylan abseits am Kamin, schweigend und
ernst. Nicole Mercier hockte bleich auf einem Sessel neben dem Diwan und hielt
Eves Hand.
Schwester Gila ging mit feuchten Augen in die Küche und bereitete einen
Tee.
Dr. Ortskill zeigte sich äußerst besorgt und gab Eve eine Spritze. »Sie
muss einen schweren Schock erlitten haben«, sagte er leise. »Die Symptome, die
Sie äußerten, Mister Brent, geben mir zu denken.«
Larry biss sich auf die Lippen. Er sah Eves zuckendes Gesicht, die
zitternden Augenlider, die sich jetzt öffneten.
Eve schien ruhiger als vorhin, die Spritze zeigte bereits Wirkung. Eve war
bis zum Hals in eine Wolldecke eingewickelt. Ihr nasser, unterkühlter Körper
musste erwärmt werden. Noch immer jedoch benahm sie sich wie im Fieber, als
phantasiere sie.
»Janett, sucht doch Janett, bitte! Ich bin ihr nachgefahren, aber ich habe
sie nicht eingeholt. Sie ist draußen in der Kälte!«
Dr. Ortskill warf einen Blick auf Schwester Gila, die mit der dampfenden
Teekanne auf einem goldumrandeten venezianischen Tablett auf sie zukam.
»Sie fragt nach Janett«, sagte der Arzt rau, während er mechanisch den Puls
Eves kontrollierte. »Sie phantasiert. Sie behauptet, Janett sei draußen.«
Schwester Gila sah den Arzt erstaunt an. Sie stellte das Tablett ab und
ging in Janetts Zimmer. Man hörte Stimmengemurmel. Dann kam Schwester Gila
zurück. An ihrem Arm hing Janett.
Eve Baynes richtete sich auf, als ob eine übernatürliche Erscheinung auf
sie zukäme.
Sie bewegte die Lippen. Larry sah ihre unnatürlich weit aufgerissenen
Augen. Eve wollte etwas sagen, doch es wurde nur ein Schluchzen, ein Wimmern,
das ihren Körper schüttelte.
»Sie brauchen sich keine Sorgen um Janett zu machen«, sagte Schwester Gila
beschwichtigend, redete mit sanfter, beruhigender Stimme auf Eve ein und
lächelte. »Janett ist doch hier. Sie haben geträumt, Eve.«
Janett sah sich um, sie war vollkommen still.
Irgendetwas in Eves Augen ließ Larry Brent aufmerksam werden.
Eve zeigte mit der ausgestreckten Hand auf Janett. Unter dem seidenen
Mantel war deutlich ein hellblaues Nachtgewand sichtbar.
Eve schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie leise. »Ich habe sie in einem
weißen Nachthemd gesehen. Sie trug doch heute Abend auch ein weißes Nachthemd,
nicht wahr? Ich war doch noch bei ihr, in ihrem Zimmer.«
Schwester Gila lächelte freundlich. »Ja, Miss Eve, das stimmt. Janett muss
erwacht sein. Ich habe es nicht bemerkt, ich muss es zu meiner Schande
gestehen. Sie hat ihr weißes Nachthemd zerrissen.«
Unwillkürlich folgten die Blicke der Anwesenden der Krankenschwester. Die
Tür zu Janetts Zimmer stand wie zufällig halb offen. Auf dem Boden vor ihrem
Bett lagen die duftigen Fetzen eines weißen
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