025 - New York, New York!
Pieroos schläfrige Stimme wie aus weiter Ferne. Ein Schrei, lautes Poltern und dann nichts mehr außer Dunkelheit und Stille.
Matt fuhr herum, als er den Schrei hörte. Die Tür der Kajüte wurde aufgerissen. Eine in Decken gehüllte Gestalt stolperte an Deck. Ihr Körper dampfte in der Kälte.
Wo ist Pieroo?, fragte sich Matt, während er beruhigend die Hände hob.
»Du musst keine Angst haben«, sagte er. »Du bist krank, aber wir werden dir helfen. Geh wieder unter -«
Die Frau knurrte wie ein Tier und warf mit einem Ruck die Decken ab. Matt verspürte plötzliche Übelkeit, als er ihre dunkelrote, Blasen werfende Haut sah. Etwas schien sich darunter zu bewegen und sie zum Kochen zu bringen.
»Keine Panik«, murmelte er wider besseren Wissens und machte einen vorsichtigen Schritt auf die Kranke zu. »Das kriegen wir schon wieder hin.«
Er wollte sie in Richtung Kajüte zurück drängen, aber im gleichen Moment packte sie zu. Ihre Hand schloss sich wie eine heiße Metallklammer um seinen Arm. Selbst durch die dicke Felljacke spürte er die Hitze, die von ihr ausging.
Matt versuchte sich loszureißen - vergeblich. Er sah keine andere Möglichkeit, als der Kranken die Handkante in den Nacken zu schlagen. Ihr Kopf zuckte hoch und Matt sah eine weiße wirbelnde Masse in ihren Augen. Sein Schlag schien sie nicht zu bremsen, im Gegenteil, denn sie griff mit der zweiten Hand zu.
Matt verlor den Boden unter den Füßen.
So stark ist kein Mensch, dachte er noch, dann wurde er auch schon durch die Luft geschleudert.
Rasend schnell kam die Reling der Santanna auf ihn zu. Matt streckte die Hände aus, wollte danach greifen, um nicht über Bord zu gehen, aber seine Finger glitten an dem vereisten Holz ab.
Aus den Augenwinkeln sah er einen roten Körper, der an ihm vorbei schoss. Soldaten schrien wütend auf.
Der Aufprall raubte Matt den Atem. Er überschlug sich, rutschte über das Eis und riss einen der Uniformierten von den Beinen.
Neben ihm schlug die Kranke auf dem Boden auf. Ihr überhitzter Körper brach zischend durch die Eisschicht. Wasserdampf stieg wie eine Wolke auf.
Matt kam taumelnd auf die Beine. Durch den Nebel sah er das Loch, in dem die Kranke verschwunden war, und die Soldaten, die ihre Armbrüste und Lanzen hoben.
Matt dachte nicht nach, sondern tat das Einzige, was er in seiner Lage tun konnte. Er sprang in das Loch.
Die Pfeile surrten über seinen Kopf hinweg.
***
Pieroo kam stöhnend zu sich und tastete nach der Beule an seinem Kopf. Er hatte den Schlag, der ihn zu Boden riss, kaum gesehen, konnte sich nur noch an das verzerrte Gesicht der Kranken erinnern. Die Kraft eines Dämons muss in ihr stecken, dachte er und stand auf. Er sah zu Tumans Koje herüber. Der gelähmte Seemann atmete gleichmäßig und schien zu schlafen. Nur das Blut auf seiner Stirn verriet, dass auch er Opfer eines Angriffs geworden war.
Pieroo hörte plötzliches Stimmengewirr an Deck. Er zog die schief in den Angeln hängende Kajütentür vollständig auf und trat nach draußen.
Um ihn herum stolperten schlaftrunkene Männer aus den Kajüten. Die meisten hatten sich hastig eine Decke über die Schultern geworfen. Nur Colomb erschien vollständig angezogen und zeigte mit seinem Degen auf die Schiffswache. »Was ist passiert?«, herrschte er den Matrosen an.
Der zuckte unter den Worten zusammen. »Maddrax und die Kranke sind weg«, sagte er nervös. »Sie sind von Bord gesprungen.«
Pieroo sah seine vom Schlaf verquollenen Augen und fragte sich, wie viel der Mann tatsächlich gesehen hatte.
Colomb fuhr herum, wandte sich an den Hünen. »Ist das wahr?«
»Se hamich niederschlahn«, entgegnete er schulterzuckend.
Jochim lachte laut. »Eine schwache kranke Frau schlägt dich nieder? Wer soll denn das glauben?«
Einige der Matrosen stimmten in sein Gelächter ein. Pieroo trat ihnen drohend entgegen. »Nennste michn Lügner?«
Der Deutsche wurde schlagartig ernst. »Ich glaube nur, dass dein Freund Maddrax, unser Erster Lytnant, seine Chance ergriffen hat und wie eine feige Taratze aus einem verseuchten Bau geflohen ist.« Er sah zu Colomb hinüber, als suche er dessen Zustimmung, aber der Kapitaan stand nur mit versteinertem Gesicht da.
»Das ergibt keinen Sinn«, mischte sich Cosimus ein. »Wieso sollte Maddrax die Kranke mitnehmen, wenn er Angst vor Ansteckung hat?«
Jochim runzelte die Stirn. Daran hatte er anscheinend nicht gedacht. Das Geräusch zahlreicher Stiefelpaare, die sich im Gleichschritt
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